KOMMENTAR: Betroffenheit reicht nicht
■ Zum Mord an dem Mosambikaner Jorge Gomondai
Lassen sich die jüngsten rassistischen Gewalttaten in ihrer gesamtdeutschen Vielzahl überhaupt noch journalistisch kommentieren? Ist nicht schon alles gesagt und geschrieben worden? Haben nicht schon engagierte Pädagogen, Soziologen und Kirchenmenschen über alle möglichen Ursachen dieser erschreckenden Tendenzen räsoniert und dabei oft genug um Verständnis für die von Arbeits- und Identitätslosigkeit bedrohten (ost)deutschen Jugendlichen geworben? Die schwarzen Menschen in Deutschland erinnert der brutale Mord an Jorge Gomondai erschreckend deutlich an die tödlichen Überfälle des vergangenen Jahres. Die Attacken auf den Pakistani Mahmut Azhard in West- Berlin und den Angolaner Antonio Amadeu aus Eberswalde blieben fast ebenso unbemerkt wie ungesühnt.
Wie ist es zu erklären, daß die deutsche Öffentlichkeit schweigt? Während sich die zuständigen Polizeikräfte bei den immer selbstbewußter aufmarschierenden Fascho-Gruppen nach wie vor in verständnisvoller Zurückhaltung üben, warnen die Politiker lieber vor den Gefahren eines bislang ausgebliebenen „chaotischen Ansturms polnischer Händler“. Folgerichtig weisen auch die gerade aktualisierten Kriminalstatistiken vor allem „Banden von zumeist ausländischen Jugendlichen“ als besonders gewaltbereit aus. Unterdessen können immer jüngere Teile der neuen deutschen Jugend ungehindert mit Baseballschlägern und gehobenem Arm auf „Negerhatz“ gehen.
Was muß eigentlich noch geschehen, damit eine breite basisorientierte Gegenbewegung entsteht, die sich die Vernetzung der antirassistischen Öffentlichkeit und den notwendigen Selbstschutz der Betroffenen auf ihre Fahnen schreibt? Mit der unzureichenden und allenfalls periodischen „Betroffenheit“ innerhalb der deutschen Linken und den regelmäßigen, aber völlig wirkungslosen Platitüden der Ausländerbeauftragten wird sich jedenfalls die Gewalt nicht eindämmen lassen. Wenn auch der Großteil der deutschen Öffentlichkeit weiterhin stumm bleibt, für uns, die eingewanderten Deutschen afrikanischer, türkischer oder sonstwelcher Herkunft, ist es mit rituellen Betroffenheitsbekundungen jedenfalls nicht getan. Nini Accra
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