: Spiel mit rostigen Klängen
■ Rolf Julius' „musik für ein blaues dreieck“ in der Bremerhavener Kunsthalle
Er müsse die Arbeiten erstmal einen Moment ausstellen, sagt der Ausstellungsmacher in Bremerhavens Kunsthalle und dreht den Klanginstallationen von Rolf Julius den Saft ab, damit Thomas Deecke die große Zahl der Gäste begrüßen konnte.
Der Chef des neuen Bremer Museums für neue Kunst klappert elegant mit Begriffen und Namen - von Konstruktivismus bis zu konzeptioneller Kunst —, um schließlich festzustellen, daß Rolf Julius damit nichts im Sinn habe. Seine Sache sei, „Erlebnisse im Grenzbereich des Visuellen zu vermitteln“. Julius erzeuge angesichts der akustischen Umweltverschmutzung eine Gegenwelt, „die es uns möglich macht, uns in der Welt der Reizüberflutung auf das Wesentliche zu besinnen.“
„Musik für ein blaues Dreieck“ nennt Julius die Bremerhavener Ausstellung, deren minimalistische Klang-Bilder sehens- und hörenswerter sind als die wortgewaltige Besinnungslyrik vermuten läßt. Die „small music“ des 52jährigen Berliner Künstlers, der in den 60er Jahren in Bremen studiert und zeitweilig in Bremerhaven gelebt hatte, ist ein feinziseliertes Spiel mit leisen, schrägen, „rostigen“ Klängen, mit den verschiedenen Farben, mit kleinsten, einfachen Formen, mit künstlichen und natürlichen Materialien.
Auf dem dunklen Steinboden der Kunsthalle liegt ein Häuflein Sand, darin befinden sich daumengroße, von weitem nicht sichtbare Lautsprecher, die Geräusche ausstrahlen: Ein statisches Rauschen, Rieseln, Kratzen, Summen. Die vielschichtige, leise Klangmixtur aus natürlichen Geräuschen kommt von allen Seiten, von Boden und Decke des Raums. Die Klangfarben der meditativ gehaltenen Collage vermischen sich zu einem Gesamtton, der jeweils vor den einzelnen Objekten eine etwas andere Färbung annimmt.
Ein kleines, tiefblaues Dreieck in einer Ecke des Raums klingt wie das Rauschen eines Kurzwellen-Senders, aus einem Ensemble von 15 Lautsprechern, die unterschiedlich hoch von der Decke herabhängen, kommt „etwas Wind“, zwei Bodenarbeiten — kleine quadratische Eisen-Platten — tönen nicht nur, aus winzigen Löchern werden Grafitpigmente geblasen, die sich im Verlauf der Zeit zu einer Zeichnung anordnen.
Für seinen „sirrenden und akustisch flimmernden Irrgarten“, den Julius am liebsten in Ritzen und Rändern ansiedelt, am Rand von verlassenen Industrieanlagen und in vergessenen Hinterhöfen, hat er selbst die besten Worte gefunden: „Wenn du die Klänge läßt, entsteht die Musik allein, und alle Töne, Farben, Klänge, die lauten, krummen, kleinen , schönen, brillanten, gelben, vergilbten, leisen und schrägen, fühlen sich wohl.“
Die Gäste der sonntäglichen Vernissage hatten mehr Interesse am eigenen Gebrabbel als am Einhören in die Klangbilder des leisen Irrgartens, die rettungslos untergehen mußten und jetzt auf stillere Tage und aufmerksame BesucherInnen warten.
hans happel
Rolf Julius, „musik für ein blaues dreieck“, Objekte und Klanginstallationen, Kunsthalle Bremerhaven, bis 12.5.1991
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