V-Leute setzten Kurden unter Druck

■ Der Kurde Mehmet C. wurde von V-Leuten so lange bearbeitet, bis er sich zu einem Herointransport bereit erklärte/ Jetzt vierjährige Haftstrafe/ Innensenat verbot Aussage der V-Leute vor Gericht

Moabit. Daß V-Männer der Polizei es mit der Legalität nicht immer genau nehmen und bei der Jagd auf Straftäter die Erfolgsbilanz mit rechtswidrigen Praktiken schönen, ist hinlänglich bekannt. Doch der Fall des Kurden Mehmet C. stellt alles bisher Bekanntgewordene in den Schatten. Der unbescholtene Mehmet C., der in seinem Leben nie mit Drogen zu tun hatte, wurde von zwei V-Männern der Kripo — die sich natürlich nicht als solche zu erkennen gaben — so lange bearbeitet, Heroin aus der Türkei nach Berlin zu transportieren, bis er endlich weich war. Die V-Männer, beide Araber, ließen einfach nicht locker und setzten mit großen Überredungskünsten ganz gezielt die 50.000 Mark Bankschulden und die kurdische Volkszugehörigkeit von Mehemt C. ein: Ein Heroingeschäft, so köderten sie ihn, würde der »kurdischen Sache dienen« und ihn dazu auch noch von allen Geldsorgen befreien. Als Mehmet C. nach drei Monaten endlich bereit war, drückten sie ihm vor seiner Fahrt nach Diyarbakir in der Türkei sogar noch 1.000 Mark Anzahlung für den Stoff in die Hand. Doch dann kam das böse Erwachen: Bei der Übergabe von drei Kilo Heroingemisch im Hotel Interconti schnappte die Falle zu.

Mehmet C. wurde im März von der 8. Großen Strafkammer des Landgerichts wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in einem minder schweren Fall zu vier Jahren Haft verurteilt. Das Urteil, ist noch nicht rechtskräftig. Die deutliche Sprache, die in dem 14seitigen Schriftstück angeschlagen wird, ist der Beleg dafür, daß das Gericht bisher wohl noch nie mit so einem krassen Fall zu tun hatte. Nach einer ausgiebigen Schilderung des Falls weist die 8. Große Strafkammer in dem Urteil daraufhin, daß die beiden V-Männer dem Gericht nicht als Zeugen zur Verfügung standen, weil diese keine Aussagegenehmigung vom Innensenat bekamen. Zu der Sperrerklärung des Innensenators stellen die Richter wörtlich fest: »Die Sperrerklärung beruht im wesentlichen auf der Erwägung, daß die V-Personen bisher erfolgreich bei der Aufdeckung von Rauschgiftgeschäften eingesetzt gewesen seien und auch in Zukunft bei der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität eingesetzt werden sollen und im Fall der Offenlegung ihrer Identitäten Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wären.« Das Gericht geht jedoch davon aus, daß die Sperrerklärung zu Unrecht abgegeben wurde, weil die V-Männer in Wirklichkeit gar keine Vertraulichkeitszusage von der Staatsanwaltschaft hatten, als sie sich an Mehmet C. heranmachten: »Eine Bestätigung der zugesicherten Geheimhaltung«, so die Richter, »wurde nicht eingeholt«. Mehmet C. wird in aller Deutlichkeit zugute gehalten, daß er »erst« durch die Gespräche mit den V-Männern »veranlaßt« wurde, »sich mit dem Gedanken eines Schmuggeltransports zu beschäftigen«. Die Tatsache, daß die V-Männer Mehmet C. sogar 1.000 Mark Vorschuß in die Hand drückten, ist für das Gericht Indiz dafür, daß diese sich »eine entsprechend hohe Entlohnung für den Fall des Erfolges« versprachen, und »um wieder Aufträge zum Einsatz zu bekommen«. Für Mehmet C.'s Anwalt Harald Reme ist der Fall ein krasser Beleg für das »Eigenleben« der V-Männer. »Hier«, so Reme, »wurde keine Gefahr abgewendet, sondern durch die V-Leute erst herbeigeführt.« Daß die V-Männer selbst mit 1.000 Mark in das Geschäft eingestiegen sind, wertete Reme als Behilfe zu einer Straftat. Der Rechtsanwalt meint, daß das Gericht die Besonderheit des Falls in einem entsprechend milden Urteil berücksichtigt hat. Jetzt müsse alles dafür dafür getan werden, daß Mehmet C. — der seit vergangenen September in U-Haft sitzt und eine Frau und zwei kleine Kinder hat — möglichst schnell in den offenen Vollzug verlegt wird.

Mehmet C. wandte sich kürzlich in einem Schreiben an Justizsenatorin Jutta Limbach, um sie um Hilfe zu bitten. In dem Brief wies er daraufhin, daß er von den beiden V-Leuten mehrere Monate mit seinen Finanzproblemen und der »kurdischen Sache« unter Druck gesetzt wurde. Zum Schluß bat er: »Können Sie nicht Abhilfe schaffen, daß sich so etwas nicht wiederholt?« plu