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Luftbrücke für verletzte Kurden

Bundesregierung stellt 415 Millionen für Kurden bereit/ Bundestag für neuen Militäreinsatz im Irak  ■ Aus Bonn Bernd Müllender

Bonn (taz) — Kurdenelend ohne Ende: „Die Staatengemeinschaft“, so Außenminister Genscher gestern in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag, „steht jetzt auf dem Prüfstand“. Geprüft wird auch die Bundesregierung, und die will jetzt „bei dieser Tragödie, die die Herzen überall in der Welt aufwühlt“ weitere 415 Millionen für humanitäre Hilfe bereitstellen. Erst am Dienstag war die Summe von 88 auf 250 Millionen aufgestockt worden. Zudem sollen jetzt auch verletzte und kranke Flüchtlinge mit einer, so Genscher, „Luftbrücke der Menschlichkeit“ bei den jetzt täglich drei Transall- Rückflügen in Krankenhäuser mitgenommen werden. Nach Auskunft der Bundeswehr könnten dabei zusammen rund 200 Menschen pro Tag Platz finden. Genscher selbst will am Freitag nach Kurdistan fliegen, um sich vor Ort in Batman, dem Basislager der deutschen Hilfsorganisationen in der Südosttürkei, „von der Zweckmäßigkeit unserer Hilfe zu überzeugen“.

Besondere Situationen wie „dieser versuchte Völkermord, der alle bisherigen Grenzen sprengt“ (Genscher) bewirkt eine besondere Atmosphäre — selbst im sonst so routinierten Bundestagsgeschäft. Applaus gab es bei der anschließenden Betroffenheitsdebatte quer durch alle Fraktionen: eine neue große Koalition der Einheitsmeinung. So nickte etwa Genscher zustimmend, als ihn der SPD-Abgeordnete Freimut Duve aufforderte, bei seinem bevorstehenden Besuch in Ankara auf ein sofortiges Ende der unsäglichen Waffeneinsätze türkischer Soldaten gegen die Verzweifelten einzuwirken.

Fraktionsübergreifend war auch die Forderung nach einer Bestrafung von Saddam Hussein und die sofortige Befürwortung von neuer „alliierter“ Militärpräsenz im Nordirak. Genscher diplomatisch: Es müsse „die gleiche Entschlossenheit wie nach dem Überfall auf Kuwait“ gezeigt werden, nur so sei „echte Autonomie“ für die Kurden erreichbar. SPD-Abgeordneter Duve dazu: Obwohl „aus der Golfkrise die Kurdenkatastrophe geworden ist“, müsse man die Rechte der Kurden „notfalls militärisch erzwingen“. Noch ist es innenpolitisch ein Tabu, eine Änderung der Asylfrage für die Kurden ins Auge zu fassen. Ausnahme war die Abgeordnete Andrea Lederer von der PDS — sie forderte eine sofortige großzügige Asylgewährung für „mehrere tausend“ der Notleidenden und einen generellen Abschiebestopp von KurdInnen in allen Bundesländern. Allein stand sie mit ihrer Ablehnung von Militäreinsätzen; insbesondere sei es ein „besonderer Ausdruck von Zynismus“, wenn vor dem Hintergrund des unermeßlichen Leids jetzt „ein neues Nachdenken über ein militärisches Eingreifen der Bundeswehr“ außerhalb der Landesgrenzen einsetze.

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