: Durchgestylt und mit weniger Ecken
Bei der WDR-Strukturreform im Hörfunk bleibt nicht nur „Thema heute“ auf der Strecke ■ Von Günter Delzepich
Thema heute ist eine populäre Magazinsendung. Mit leicht konsumierbaren Wortbeiträgen und viel Musik. Sie läuft zur besten Sendezeit, werktags von 18.10 bis 20 Uhr im meistgehörten Programm von WDR2. Trotz allem Bemühen um wechselnde journalistische Stilformen wirkt die Sendung oft bieder und trocken und nicht selten wie der oberlehrerhafte Unterrichtsentwurf eines bemühten Studienreferendars.
In vielem ist die Sendung ganz anders als ihr Vorgänger, die Radiothek, die 1980 wegen vieler aufgebauschter Skandale trotz heftiger Proteststürme eingestellt wurde. Doch trotz aller Langatmigkeit setzt es auch hier die Höchststrafe: Tod durch Absetzen. Die fünfköpfige Redaktion hat es kalt erwischt.
Ist die Sendung den Sendungsgewaltigen zu bieder? Mitnichten. Denn auch Thema heute ist immer unberechenbar gewesen, sozusagen mit gelegentlichen Ansätzen von Radiotheks-Momenten. So konnte sie plötzlich pfiffig und rotzfrech sein, aufrüttelnd und unbeugsam. Zum Beispiel zu Golfkriegszeiten: Da waren engagierte Antikriegsmagazine angesagt, mit spürbar ehrlicher Betroffenheit moderiert. Dazu gehörte eine erfrischend unausgewogene Sendung über Deserteure, mit geschickt eingestreuten juristischen Tricks, wie man sich als Fahnenflüchtiger am besten zu verstecken habe und später eine Bestrafung clever umgehen kann.
In solchen Fällen sahen sich gepiesackte Politiker und Kirchengrößen immer mal genötigt, ihr Mißfallen beim Intendanten kundzutun. Herr Nowottny hat ein gutes Gedächtnis und weiß zudem die journalistischen Vorgesetzten der Aufmüpfigen auf seiner Seite. Eine unheilige Allianz , schimpft man in der Redaktion, weil sie nach oben keinen Hierarchie-Puffer hat.
„Ein paar Tage lang standen alle unter Schock“, sagt eine im WDR über die Stimmung nach der Entscheidung der Hörfunkdirektion. Offiziell hat es noch niemand für nötig befunden, den Exodus mitzuteilen, aber Anfang April war der Beschluß durchgesickert, auch daß das eingespielte Team auseinandergerissen und die Fünf irgendwohin hausintern versetzt werden sollen. Entsetzen, Wut und Fassungslosigkeit deshalb in der Redaktion. „Journalistisch eine grauenhafte Entscheidung“, sagt ein Betroffener. Es läge der Schluß nahe, „daß wir mundtot gemacht werden sollen“.
Der Beerdigungs-Befehl aus den Chefetagen ist eingebettet in die geplante Strukturreform des WDR. Mit der Einführung von WDR 5 werden diverse Sendeplätze verschoben und getauscht. Ein der taz vorliegendes internes Planungspapier der Hörfunkdirektion verdeutlicht, daß mehrere engagierte Sendungen vom publikumswirksamen WDR 2 in die unpopuläreren Minderheitenwellen wie WDR 1 und WDR 3 wechseln sollen: darunter auffällig viele Sendungen mit HörerInnenbeteiligung. Grund für das Revirement sind sinkende Einschaltquoten gegenüber der Privatkonkurrenz und dem Populärsender SWF 3. Es soll alles seichter und gleicher werden, durchgestylt mit weniger Ecken, globaler mit mehr Informationshäppchen zu Einzelaktualitäten, leichter konsumierbar und konturenloser für den Massengeschmack. „Der WDR will den ganzen Kuchen zurückhaben“, sagt ein Redakteur, was aber bleiben werde, sei nicht „ein einziges erkennbares, typisches Stück“. Im Jargon der obersten Hörfunker heißt das, man wolle den „Reichweitenrückstand bei jüngeren Hörerinnen und Hörern aufholen, um sich gegenüber konkurrierenden Programmen besser zu behaupten“. Gemeint ist auch, daß die Werbeaufträge rückläufig sind und Gebührenerhöhungen immer politisches Hickhack bedeuten.
Auch die dreistündige, sonntägliche Budengasse, ein oftmals herausragendes Kulturmagazin ohne Konkurrenz, wird auf Kanal 1 kanalisiert. Resignation und Enttäuschung auch dort. „Aber ich ärgere mich schon nicht mehr“, sagt ein Budengässler, „es hat ja eh keinen Zweck“. Sich arrangieren und abfinden als einzige Möglichkeit, um nicht ganz gekippt zu werden wie eben Thema heute, das einzige Strukturopfer außer einigen unbedeutenderen Kommentar-Stückchen auf Nebenkanälen. Geschluckt wird die Sendung vom Langweiler-Magazin Zwischen Rhein und Weser, das seine Sendezeit verdoppelt und einer neuen Sendung zu der es lapidar im Direktorenpapier heißt, eswerde „ein Abendmagazin erscheinen, das die bisherige Sendereihe Thema heute aufnimmt“. Argumentiert wird mit keiner Zeile.
Früher mußte es schon eine Experimentalsendung wie die Radiothek sein, die Provokationen auslöste. Heute genügt schon zuviel Thementiefe, und das ausgerechnet bei der als Abfederung gedachten Nachfolgesendung. Der WDR liegt voll im Trend des Zeitgeistes: bloß nicht anecken, leichter Konsum um jeden Preis. Mal abwarten, was die unzähligen StammhörerInnen zu Thema heute als Thema heute sagen werden.
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