: Die Wiederkehr des Fußballgottes
■ Nürnbergs famoser Keeper Andreas Köpke rettet seinem gebeutelten Club das 0:0 bei Werder Bremen
Bremen (taz) — Dem sonst stets gelassen auftretenden Arie Haan schlotterte sein edles Beinkleid, als er sich im Bremer Weserstadion einfand. Kein Wunder, schließlich hatte Erfolgscoach Arie, Teamchef des 1. FC Nürnberg, an dieser Stätte bereits einige schmerzhafte Erfahrungen machen müssen. Des Holländers bittere Werder-Bilanz: „Dreimal war ich bisher hier, und dreimal habe ich verloren — bei 2:14 Toren!“
Um diese unrühmliche Serie endlich zu beenden, hatte sich dem eleganten Fußballehrer jüngst ein erprobter Helfer zugesellt: Willi Entenmann — in Stuttgart erst Haans Assistent und später kurzzeitig sein Nachfolger — heuerte bei den Franken an, um die arg gebeutelte Club- Mannschaft aus den Talniederungen herauszuführen. Spielerwechsel, Geldnöte, eine nachweislich stümperhafte Vereinsführung und zuletzt einige dubiose Eigentore hatten den vormals ruhmreichen Verein auf den Weg in die 2. Liga gebracht. Ziel daher vor dem Bremer Kick: Bloß nicht verlieren!
Gegen den Meisteraspiranten spielte die junge Nürnberger Mannschaft, abermals im dekorativen Nachkriegs-Outfit mit Schnürtrikot und übergroßer Hose, zwar nicht eben euphorisierend, doch beeindruckte sie zumindest durch ihre verwegen kämpfende Hintermannschaft — bestehend aus neun Feldspielern und dem Torwächter.
Im Angriff tat sich ergo überhaupt nichts, allerdings fehlte den wackeren Franken auch ein so wichtiger Mann wie Hans Dorfner, den wieder einmal manch Zipperlein piesackte (Haan: „Rücken, Hüfte, Leiste — alles zusammen“). So hatten die Gäste im gesamten Spiel gerade mal eine Torchance, während Werder, im Angriff mit Rufer, Neubarth und Allofs prominent besetzt, den Rest des Abends gestaltete. Unablässig segelten Flanken, Eckbälle und Freistöße in den süddeutschen Sechzehner — doch es fand sich keiner, der die Vorlagen verwandeln konnte.
Zuerst drosch Mittelfeldkünstler Uwe Harttgen den plötzlich vor ihm auftauchenden Ball entschlossen in den Abendhimmel, dann beförderte Neubarth eine Flanke zielsicher an das Nürnberger Gebälk, bevor er eine der unzähligen Eilts-Ecken aus zwei Metern Entfernung drei Meter vorbeizirkelte.
Am meisten setzte den Bremern indes der vorzüglich keepende FCN- Torwart Andreas Köpke zu. Zweimal meisterte er „Unhaltbare“ von Allofs, einmal einen aus zwei Metern Entfernung getretenen Ball Wynton Rufers. Schließlich griff er sich, des fortwährenden Stresses im Strafraum überdrüssig, die nach wie vor hereinschwebenden Flankenbälle direkt und ließ gleich gar keinen Werderaner mehr heran. „Weltklasseleistungen sind beim Köpke mittlerweile normal“, befand hernach Coach Haan, nachdem die Handvoll Nürnberger Fans unter den fröstelnden 16.100 bereits während des Spiels mit lauthals hinausgekrähten Lobpreisungen nicht gegeizt hatten: „Andy, du bist unser Fußballgott!“
Nach dem 0:0 beklagte Otto Rehhagel die destruktive Spielweise der Gäste: „Da kannst du noch so guten Willen haben“, resümierte er finsteren Blickes, „wenn dem Gegner alle Mittel recht sind, findest du oft keinen Weg.“
Arie Haan versuchte sich gar nicht erst als Schönfärber. Es gehe schließlich ums Überleben des FCN, und außerdem habe Werder in München ganz ähnlich gespielt. Der beste Mann auf dem Rasen war auch für ihn Schlußmann Köpke, von dem Haan künftig nicht bloß schnöde Torhüterei erwartet, sondern den er auch als Beruhigungsmittel für labilere Kickerseelen einsetzen will. Vor dem Spiel in Bremen hat Haan das schon mal probiert: „Ihr müßt draußen rennen und kämpfen“, hatte er seinen Eleven mit auf den Weg gegeben, „aber wenn trotzdem mal einer aufs Tor kommt, braucht ihr auch keine Angst zu haben. Unser Tormann hält doch sowieso alles.“ Holger Gertz
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