: Hochgeschwindigkeit und Stillstand
■ Minister Krause will gesamteuropäisches Schnellbahnnetz/ Nahverkehr in Fürstenwalde wegen Geldmangels zeitweise stillgelegt/ BUND: Vorrang für Trassenausbau
Berlin (taz/dpa/ap) — Während Verkehrsminister Günther Krause (CDU) in Bonn über die Ausweitung des europäischen Hochgeschwindigkeits-Schienennetzes nach Warschau und Moskau referierte, warteten in Fürstenwalde Hunderte vergeblich auf ihre Nahverkehrsbusse. Die Kraftverkehrsgesellschaft in der brandenburgischen Stadt ließ am Mittwoch ihre Busse in den Depots, nachdem Zahlungen aus dem Potsdamer Landeshaushalt trotz wiederholter Bitten ausgeblieben waren.
Krause bezeichnete es anläßlich des Verkehrsforums der Bahn in Bonn als vorrangig, die Verkehrsinfrastruktur in den neuen Ländern zu modernisieren und die Ost-West- Achsen rasch auszubauen. Mit Blick auf den durch die Wende im Osten ausgelösten zusätzlichen Verkehrsboom und den bevorstehenden Beginn des EG-Binnenmarkts sieht Krause für die Bahn nur dann eine Zukunftschance, wenn sie die geplanten Hochgeschwindigkeitsverbindungen zwischen den westeuropäischen Ballungszentren bald realisiert. Außerdem müsse nach der Schnellbahnverbindung Hannover-Berlin das Europanetz rasch Richtung Osteuropa ausgeweitet werden.
Der als „Sanierer“ angetretene neue Bundesbahnchef Heinz Dürr beklagte bei derselben Veranstaltung die Mißwirtschaft seiner Vorgänger. Die Bahn müsse so schnell wie möglich als Wirtschaftsunternehmen definiert werden. Dazu gehöre die Befreiung von ihren Altlasten und das unwiderrufliche Ende eines Finanzmanagements, „das ständig die Zukunft diskontiert“.
Scharfe Kritik am „Hochgeschwindigkeitsrausch“ der Bahn meldete dagegen der Bund für Umwelt und Naturschutz in Bayern an. Derartige Vorhaben zerstörten Grundwasservorkommen, Landschaften und Biotope, sagte der verkehrspolitische Sprecher des BUND Bayern, Helmut Stein. Von Minister Krause verlangte Stein, die gesamte Bahnpolitik zu überdenken und dem Ausbau bestehender Trassen Vorrang einzuräumen. Um die Bahn von unsinnigen Wirtschaftlichkeitsberechnungen zu befreien, müsse die Bahn verstaatlicht werden. Andernfalls blieben vom 41.000 Kilometer umfassenden Netz in Gesamtdeutschland langfristig nur einige Magistralen übrig. Schließlich komme in der bestehenden „Autogesellschaft“ auch niemand auf die Idee, vergleichbare Wirtschaftlichkeitsberechnungen für Straßen und Autoverkehr anzustellen.
In Fürstenwalde kam der Nahverkehr am Mittwoch abend allmählich wieder in Gang, nachdem der Kreistag einen Kredit von 500.000 gewährt hatte. Der Betrag reicht für den Weiterbetrieb bis Ende Mai. In Bonn mahnte Minister Krause die neuen Bundesländer, den öffentlichen Personennahverkehr sicherzustellen, wie es das Grundgesetz gebiete. gero
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