: Militärgericht: Ein Jahr Haft für US-Deserteur
Militärgericht in Fürth verurteilte 21jährigen US-Gefreiten zu einem Jahr Haft und unehrenhafter Entlassung aus der Armee/ Desertion während des Golfkrieges aus religiösen Gründen/ Anklage plädierte für fünf Jahre Haft/ Existenz ruiniert ■ Aus Fürth Bernd Siegler
Im ersten Verfahren gegen einen US- Soldaten, der während des Golfkrieges desertiert war, fällte das Militärgericht der US-Army in Fürth ein hartes Urteil: der 21jährige US- Gefreite William H. Allen muß ein Jahr ins Gefängnis, wird aus der Armee unehrenhaft entlassen, bekommt alle finanziellen Begünstigungen wie zum Beispiel Wohngeld entzogen und wird auf die niedrigste Besoldungsstufe degradiert. Daß William H. Allen gläubiger Moslem ist und bereits einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt hatte, interessiert das Gericht nicht. Im Falle einer niedrigeren Strafe hatte die Anklage die „Disziplin und Ordnung in der Truppe“ in höchster Gefahr gesehen. Die Jury hatte gar auf fünf Jahre Haft plädiert.
Der schwarze Gefreite aus Chicago hatte sich nach seinem Kunststudium an der Western Illinois University freiwillig für vier Jahre zur Armee gemeldet. Seit Herbst 1990 ist der dreifache Vater bei der „6/1 Field Artillery“ in Zirndorf bei Fürth stationiert. Nachdem seine Einheit am 11. November den Marschbefehl zum Golf erhalten hatte, stellte Allen einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer und wollte zu einer anderen Einheit versetzt werden. Am 23. Januar, eine Woche nach Kriegsbeginn, verließ er schließlich die Kaserne und tauchte in Passau bei Freunden unter.
In einer aus dem Untergrund am 9. Februar veröffentlichten Erklärung begründete Allen seine Desertion damit, daß er mit einer Teilnahme an der „Operation Desert Storm“ in den Konflikt gerate, als Moslem andere Glaubensbrüder töten zu müssen. Zudem sei der Krieg „ungerecht“, er werde „wegen Profits, Macht und blinden Patriotismus“ geführt. Er wolle aus der Armee herauskommen, um „ein friedvolles Leben führen, Allah und den Menschen dienen zu können“. Im Rahmen einer inszenierten Rauschgiftrazzia — es hatten daran auch die politische Polizei teilgenommen — wurde Allen fünf Tage später von der Passauer Polizei festgenommen und unter Berufung auf das Nato-Truppenstatut an die US-Behörden überstellt. Seitdem stand er in den Pinder- Barracks unter Arrest.
Die Anklage, vertreten durch zwei weibliche US-Captains von der 1. US-Panzer-Division, warf Allen vor, sich der Verlegung seiner Einheit in ein Krisengebiet entzogen zu haben und desertiert zu sein. Da der US-Gefreite dies nicht bestreitet, hatten sich vor Prozeßbeginn der Oberste Richter der US-Streitkräfte in Europa, Wayn R. Iskra, die beiden Anklagevertreter, Allen und sein Armee-Verteidiger, der US-Captain Barry Williams, in einem „Pretrial Agreement“ auf eine Höchststrafe von einem Jahr geeinigt.
Im Verfahren selbst betonte Allen noch einmal seine religiöse Überzeugung. Die Frage von Richter Iskra, ob er denn Pazifist sei, beantwortete er mit einem klaren „No, Sir“. Die Anklage sah Allens Übertritt zum Islam dagegen als durch „Feigheit“ motiviert an und stellte seine Gläubigkeit in Frage. Die Jury, die aus neun US-Offizieren bestand, folgte nicht dem Antrag von Allens Verteidiger Williams auf eine Geldstrafe, sondern plädierte auf die Höchststrafe von fünf Jahren Gefängnis. Dem stand jedoch das „Agreement“ entgegen. Seine unehrenhafte Entlassung aus der Armee verbaut Allen in den USA nahezu alle Zukunftschancen, ganz abgesehen von dem Wegfall aller finanziellen Vergünstigungen, die in den USA ehemalige Militärangehörige bekommen.
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