Demo traf nicht auf Neonazis

■ Rangeleien zwischen Demonstranten und der Polizei/ Zwölf Festnahmen in Lichtenberg/ Randale in Oranienburg/ 35jähriger Namibier in voll besetzter S-Bahn in Ost-Berlin durch Schläge verletzt

Berlin. Nach Abschluß einer weitgehend friedlich verlaufenen Demonstration gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus am Samstag abend am Cottbusser Tor kam es zu Rangeleien im Ostteil der Stadt. Etwa neunhundert Demonstranten, vorwiegend aus dem autonomen Spektrum, marschierten über den Görlitzer Bahnhof nach Lichtenberg, wo sich die rechte Szene vorwiegend aufhält. Zu Auseinandersetzungen zwischen Rechtsradikalen und Autonomen kam es jedoch nicht — sehr wohl aber zwischen der Polizei und den zumeist jugendlichen Demonstranten.

Gegen Mitternacht löste die Polizei in der Nähe des Hauptquartiers der »Nationalen Front« in der Weitlingstraße die Demonstration gewaltsam auf. In dem von der Polizei mit schwerem Gerät abgesperrten Bereich hielten sich nach mehreren Angaben etwa sechzig Skinheads auf. Nach Angaben der Polizei seien Beamte mit Flaschen und Steinen beworfen worden, dabei wurden sechzehn Polizisten verletzt. Mehrere Verletzte soll es auch unter den Demonstranten gegeben haben, meldete der Asta der Technischen Universität. Zwölf Personen wurden festgenommen.

Ebenfalls nach Angaben des TU- Astas haben am Samstag Neonazis den »Führergeburtstag« auf dem Ausflugsdampfer »Lichtenberg« gefeiert. Während der mehrstündigen Dampferfahrt durch Berlin seien »Sieg Heil«-Rufe und »Ausländer raus«-Parolen gegröhlt worden. Der Wasserschutzpolizei sei der Vorfall gemeldet gewesen. Sie sei aber nicht eingeschritten, um die »Gesellschaft nicht zu provozieren und eine Eskalation zu vermeiden«.

Unter »Sieg Heil«-Rufen randalierten am Samstag abend auch etwa 20 Jugendliche in Oranienburg. Sie sangen Hitler-Geburtstagslieder, pöbelten Fahrgäste an und verwüsteten die Bahnhofshalle in Birkenwerder. Ehe die Polizei eintraf, verschwanden sie mit der S-Bahn in Richtung Berlin.

Schwarzafrikaner zusammengeschlagen

Ein 35jähriger Namibier ist am Freitag abend gegen 20.30 in der S-Bahn zwischen Rummelsburg und Ostkreuz von drei Jugendlichen krankenhausreif geschlagen worden. Platzwunden an Mund und Nase mußten genäht werden, eine Anzeige wurde erstattet. Nach Angaben des Verletzten seien die drei Schläger in Rummelsburg zugestiegen und hätten sich sofort nach Anfahren der S- Bahn ohne jeglichen vorherigen Wortwechsel auf ihn gestürzt und ihn, ohne ein Wort zu sagen, blutig gedroschen. Er könne nicht sagen, ob es sich bei den Schlägern um Skins gehandelt habe, sie hätten »erschreckend normal« ausgesehen. Schockierend sei auch gewesen, sagt Philemon K., daß keiner der rund zwanzig Fahrgäste eingegriffen habe. Lediglich eine Frau hätte vergeblich »aufhören, aufhören« geschrien. Auch sie habe nicht die Notbremse gezogen, die Jugendlichen konnten die S- Bahn am Bahnhof Ostkreuz ungehindert verlassen.

Philemon K. lebt seit zehn Jahren in West-Berlin. Ausländerfeindlichkeit habe er bisher nie am eigenen Leib gespürt sagt er, »aber in Ost- Berlin habe ich jetzt wirklich Angst«. aku