: Sprachfehler-betr.: "Tatort Familie" ("Männergewalt" - Dokumentarfilm über sexuellen Mißbrauch von Jungen), taz vom 16.4.91
betr.: „Tatort Familie“ („Männergewalt“ — Dokumentarfilm über sexuellen Mißbrauch vonJungen), taz vom 16.4.91
In der Thematik durch Arbeit in der LehrerInnenfortbildung stark engagiert, möchte ich auf einen Sprachfehler im Artikel hinweisen, der immer wieder gemacht wird — der den Kern sexueller Gewalt an Kindern, aber auch an Frauen trifft und deshalb so schwerwiegend ist. Im letzten Satz heißt es: „Falls der Mythos von der wohlbehüteten Familie noch irgendwo existiert haben sollte, nach diesem Film wird er wohl endgültig zerstört sein.“
Gemeint hat Christof Boy „den Mythos von der wohlbehütenden Familie, im Sinne von Familie als gewaltfreier Zone, in der allen Mitgliedern Schutz gewährt, Liebe und Vertrauen realisiert werden sollten.
Die Realität (leider kein zerstörbarer Mythos) ist doch, daß die Familie wohlbehütet ist — und zwar durch Recht und Gesetz unseres unrühmlichen Patriarchats, in dem die Männer Gewalt und Zwang in der Familie ausüben und ausüben können, in der Regel ungeahndet. Nicht nur der Film, sondern der Alltag zeigt tausendfach, daß Vergewaltiger von Kindern und Frauen intrafamiliär so gut wie nie angezeigt, geschweige denn verurteilt werden: Die Opfer, vom sprachlosen Säugling bis zur finanziell völlig abhängigen Ehefrau sind hilflos gegenüber der Beweisnot, die der Gesetzgeber ihnen schafft, für Taten im dunklen Raum der von ihm wohlbehüteten Familie.
[...] Daß die Familie so „wohlbehütet“ ist — das macht den sexuellen Mißbrauch und jede Art von Gewalt in der Familie erst möglich. Lore Lovens, Duisburg
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