: Vier Fäuste für ein Hallelujah
■ George Foreman (42) lieferte Schwergewichtsweltmeister Evander Holyfield (28) einen großen Kampf über zwölf Runden, verlor nach Punkten und war hinterher hochzufrieden
Berlin (taz) — 17.000 Zuschauer hatten sich am Freitag abend im Convention Center von Atlantic City eingefunden, um den teuersten Boxkampf aller Zeiten, der Einnahmen von mehr als 100 Millionen Dollar brachte, zu erleben: das Duell der beiden größten Frömmler der Ringgeschichte, sieht man einmal von Muhammad Ali ab, der ja bekanntlich in allen Bereichen der Größte war. Der 28jährige, bislang ungeschlagene Evander Holyfield — Methodist, Lieblingslektüre: Die Bibel — verteidigte seinen Schwergewichtstitel gegen den 42jährigen Baptistenprediger George Foreman.
Abgesehen von den gemeinsamen religiösen Vorlieben gaben die beiden Kontrahenten ein äußerst ungleiches Paar ab. Holyfield, mit 94 Kilogramm recht leicht für einen Schwergewichtler, hatte sich unter anderem mit Hilfe einer Ballettlehrerin auf den Fight vorbereitet, der kahlköpfige Foreman bevorzugte Holzhacken und jede Menge Cheeseburger. Obwohl er sein Gewicht von runden 150 Kilo zu Beginn seines Comebacks auf 115 Kilo hinuntergedrückt hatte, wurde er nicht müde, jedem, der es hören wollte oder auch nicht, von seiner ganz speziellen Diät zu erzählen: „Ich esse alles, was ich sehe“. Er hoffe inständig, daß der Kampf nicht länger als zwei Runden dauern werde, erklärte Foreman schmunzelnd, „sonst bekomme ich wieder Hunger.“
Doch auch für diesen Fall hatte Foreman, der 1968 in Mexiko City olympisches Gold gewann, durch einen krachenden K.o.-Sieg gegen Joe Frazier 1973 Weltmeister wurde und diesen Titel am 30. Oktober 1974 beim legendären „Rumble in the Jungle“ von Kinshasa gegen Muhammad Ali verlor, eine einfache Lösung parat. „Ich fresse dich, junger Mann“, teilte er Holyfield bei einer Promotionveranstaltung freundlich mit, „und deinen Bademantel esse ich auch.“
Überhaupt bestritt George Foreman, der früher kaum den Mund aufbekommen hatte, die Werbung für den Kampf fast allein. „Ich wünschte, er würde auch mal was sagen“, ärgerte er sich über den verschlossenen Holyfield, aber der lasse immer nur seinen Manager für sich sprechen. Andererseits könne er ihn eigentlich ganz gut leiden. „Wenn wir noch einen Sohn bekommen, werden wir ihn Evander nennen.“ Im übrigen wolle er allen Menschen über 40, mit Haarausfall und Bauchansatz, neues Selbstbewußtsein geben, verkündete George Foreman, Holyfield werde gegen einen „großen, starken, harten Mann“ zu kämpfen haben.
Die meisten Experten hatten das Ereignis vorher als Farce abqualifiziert, doch stattdessen entwickelte sich einer der besten Boxkämpfe der jüngeren Zeit. Zu den Klängen eines eigens komponierten Raps mit dem Text: „Hier kommt George, der große dicke George. Er wird Evander aus den Socken hauen“, betrat Foreman den Ring, begrüßte freundlich lächelnd seine alten Widersacher Frazier und Ali und rückte, sobald der erste Gong erklungen war, dem verblüfften Champ erstaunlich behende zu Leibe.
Ungeachtet seines christlichen Glaubens wirkte er phasenweise wie ein boxender Buddha, dann wieder wie Bud Spencer als Plattfuß, an dem alle Schläge Holyfields einfach abprallten. Zwischendurch schoß immer wieder blitzartig und präzise sein linker Jab heraus, mit dem er den Gegner scheinbar nach Belieben traf. In der zweiten Runde wurde Holyfield von einer Linken voll erwischt und hatte Glück, daß Foreman im entscheidenden Moment doch ein Quentchen Explosivität fehlte und der folgende rechte Haken mit der Wucht einer Abrißbirne knapp an Evanders Nase vorbeiwitschte.
„Man muß Foreman ernstnehmen wie einen Herzinfarkt“, hatte Holyfields Trainer vorher gewarnt, und von der dritten Runde an hielt sich sein Schützling an diese Devise. Ob es nun der Hunger war, der Foreman schwächte, oder doch die Last der Jahre, jedenfalls wendete sich nun das Blatt. Foreman wurde schwer getroffen und schwebte in akuter Knock-out-Gefahr, aus der ihn erst der Schlußgong des dritten Durchgangs errettete.
Aber er erholte sich und in der siebten Runde war er wieder am Drücker. „Ich war einen Zentimeter vom Sieg entfernt“, analysierte er später, doch die „außerordentlichen Nehmerqualitäten“ Holyfields hätten ihn darum gebracht. Foreman schlug sich müde und hatte Glück, daß er selbst die Runde überstand, denn plötzlich blühte der Weltmeister auf, als habe ihm ein gallischer Druide heimlich etwas Zaubertrank zukommen lassen. „Immer wenn ich dachte, jetzt hau' ich ihm aufs Maul, schlug er mir aufs Maul“, staunte Foreman, „Holyfield ist ein wahrer Champion.“
Was vorher niemand für möglich gehalten hatte, trat ein: Der Kampf ging über die volle Distanz von zwölf Runden, eine Sache, die Foreman zuletzt 1977 widerfahren war. Obwohl er eindeutig nach Punkten verloren hatte, war der Herausforderer anschließend bester Laune. Mit bunter Skimütze und Sonnenbrille angetan, ließ er sich für seine große Leistung, die ihm zudem 12,5 Millionen Dollar einbrachte (Holyfield erhielt 20 Millionen), feiern. „Es war großartig“, strahlte er, „jeder Rentner kann stolz sein. Ich habe bewiesen, daß man mit 40 noch nicht über den Berg ist.“ Matti
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