Es gibt ein Drittes: Krieg und fort- dauerndes Unrecht-betr.: "Gib einem Faschisten eine zweite Chance - er wird sie nutzen" von Henry M. Broder und Eike Geisel, taz vom 18.4.91, "Das Schweigen der Intellektuellen"von Reinhard Mohr, 15.4.91

betr.: „Gib einem Faschisten eine zweite Chance — er wird sie nutzen“ von Henryk M.Broder und Eike Geisel, taz vom 18.4.91 („Das Schweigen der Intellektuellen“ von Reinhard Mohr,

taz vom 15.4.91)

Warum laßt Ihr den Demagogen, Zyniker und Gewaltfetischisten Broder schon wieder blindwütig auf Teile der Friedensbewegung einschlagen? Hat er denn nicht in der Vergangenheit genügend Gelegenheit gehabt, unter Beweis zu stellen, daß er lediglich provozieren, diffamieren und verleumden will anstatt auf die Beweggründe friedensbewegter Mitmenschen einzugehen? Ekkehard Skoring,

(West)Berlin

[...] Auch ich bin enttäuscht von der Erlahmung der Friedensbewegung hinsichtlich des geschehenden Völkermordes in Kurdistan. [...] Aber es ist tatsächlich so, daß für viele einfach das Feindbild stimmen muß. Dies ist aber nicht allein ein Problem von Linken und Pazifisten.

Auch die USA haben, wenn es ihren strategischen und politischen Interessen entsprach, noch immer die schlimmsten Diktatoren unterstützt, auch Saddam Hussein als Schild gegen Chomeini, Somoza, Duvalier und Co. gegen Castro und so weiter. Nur der politische Druck bringt ihn jetzt dazu, die Kurden wenigstens humanitär zu unterstützen. Wie lange dies gedauert hat, ist genauso ein Trauerspiel wie die Erlahmung der Friedensbewegung.

Ich bin Ihrer Meinung, Herr Broder. Wer den Terror gegen Kurden verurteilt, muß auch genauso denselben gegen die Palästinenser verurteilen und umgekehrt. Wer sich empört über rassistische und ethnische Verfolgungen, sollte unbedingt vermeiden, einseitig zu sein. [...]

Genauso wie man aus strategischen Gründen keinen Staat Palästina möchte, will man natürlich auch kein freies Kurdistan. Dies hat Herr Bush ja deutlich gesagt, wenn auch mit anderen Worten. Deshalb ließ er die Kurden im Stich, die ja auch im Nato-Land Türkei und im Land des Golfkriegsverbündeten Syrien unterdrückt, ermordet und gefoltert werden. Ohne Golfkrieg wäre es wahrscheinlich nicht zum Aufstand der Kurden gekommen, für dessen Niederschlagung immer noch genügend Waffen vorhanden waren, auch amerikanische, deutsche, französische... Deshalb ist es auch nicht absurd, wenn viele meinen, die USA hat „A“ gesagt und nun müßte sie auch „B“ sagen, wenn sie diesen Krieg nicht tatsächlich aus humanitären Gründen geführt haben. Aber weil dies nicht der Fall war, halten sie sich jetzt zurück, helfen den Kurden fast nicht, genauso wenig wie sie den Tibetern helfen würden, obwohl diese schon über 30 Jahre vom kommunistischen China besetzt sind. Tibet ist halt kein Ölstaat und China ein wichtiger Handelspartner, auch wenn dort Dissidenten von Panzern zerquetscht wurden und für viele Jahre eingesperrt, gefoltert, entrechtet werden.

Wenn heute Zaire Ruanda überfallen würde, könnte man auf zwei Dinge lange warten, Herr Broder. Auf die Friedensbewegung und auf die US-amerikanischen Truppen. Ralf Ansorge, (Ost)Berlin

betr.: dito und „Das kurdische Trauma“ von Benny Peiser,

taz vom 6.4.91

Der moralische und intellektuelle Schiffbruch von Peiser, Broder und Co. ist offensichtlich. Das wäre nicht weiter aufregend. Aber leider repräsentieren sie die Mehrheitsmeinung der Juden sowohl in Israel wie in Deutschland. Daher folgendes.

Zur Moral: Der „Friedensbewegung“ wirft Broder vor, sie protestiere nicht gegen gleiches Unrecht gleich heftig. Was macht er selber? Keine Silbe sind ihm die Tausende zerbombter und zerschossener Irakis wert. Peiser spricht einfach von vermeintlichen Toten. Doppelte Moral ist das. Was diese Zyniker widerspiegeln, ist die tiefe Sinnkrise des Judentums, nachdem sich die Mehrheit (auch ich) von der Religion losgesagt hat. „Du sollst nicht töten“, übersetzt Luther den kurzen Auftrag der zehn Gebote aus dem Abschnitt Jithro (2.Buch Mose). Und jahrtausendelang galt: Dieser Auftrag gilt auch bei drohender Lebensgefahr (siehe Kizur Schulchan Aruch, und der wurde nach den christlichen Morden in der Pestverfolgung und Inquisition geschrieben). Man mag das alles für alten Käse halten, aber dann muß man sich im klaren sein, daß die eigene jüdische Identität hohl und brüchig ist. Peisers, Broders und Cos nationalistisches Stützkorsett für diese Identität führt nicht nur in die moralische Sackgasse, sondern auch in die politische. Solange Israel nicht seinen Frieden mit den Palästinensern macht, wird es vom Untergang bedroht bleiben.

Zum Intellekt: „Tertium non datur“ tönte Hartung, die Peisersche und Brodersche Meinung zusammenfassend: Entweder gerechte Lösung, dann eben Krieg, oder fortdauerndes Unrecht. Jetzt habt Ihr Euren Krieg gehabt. Und siehe da, es gibt doch noch was Drittes: nämlich Krieg und fortdauerndes Unrecht. Das heißt: Peiser, Broder, Hartung und Co. haben sich geirrt. Gibt das einer von denen zu? Nicht daß ich wüßte. Sie müßten dann auch zugeben, daß es auch was Viertes gegeben hätte, nämlich gerechte Lösung ohne Krieg. Dies scheint ihren Verstand zu überfordern. Wie weiland Ludendorff nach dem Ersten Weltkrieg strickt Broder statt dessen an einer Dolchstoßlegende: Die Friedensbewegung habe dafür gesort, daß dieser wunderbare Krieg zu früh beendet wurde. Wenn es denn so wäre, Herr Broder: Ich wäre glücklicher darüber gewesen. Jeder Tag dieses Krieges war ein Tag zuviel. Es ist die Kriegspolitik, die Saddam Hussein in seine momentane gute Lage gebracht hat. Bei einem Boykott mit der Forderung nach Rücktritt Saddam Husseins im Tausch gegen eine UN- kompatible Lösung der Israel/Palästinafrage wäre er schon längst weg. Rolf Verleger, Lübeck

Ähnlich wie bei Biermann

Broder ist ein eifersüchtiger Weiser, der keine Weisen neben sich duldet. Er hat wieder zu(rück)geschlagen. Von Mohr wegen seines Schweigens in Sachen Kurden angegriffen, greift er zum Degen und sticht und sticht und sticht alles nieder, was sich ihm in den Weg stellt — ohne eine Spur von Nachdenklichkeit. Nur alle anderen, die ihm widersprachen und widersprechen, haben sich geirrt, der Reihe nach. Alles Banausen und Verräter. Mag sein. Bloß, daß meine Widersacher falsch liegen, heißt lange nicht, daß ich Recht habe.

Aber Broder ist nicht leicht beizukommen, denn er beherrscht wie kaum ein anderer die Kunst des Spießumdrehens, ohne sich auf die Auseinandersetzung mit der eigenen Position einzulassen. So ist nichts zu machen. Solange er die Logik des Krieges akzeptiert, hat er natürlich Recht. Bloß, es gab und es gibt immer noch in Sachen Saddam Hussein, Golf, Israel, Kurden... eine andere Logik als die des Krieges, nicht nur eine ethische, auch eine politische.

Ach, war der Broder gut, als er vor dem Krieg die Satire über den Papst und die deutschen Politiker schrieb, die sich in den Irak und nach Israel begeben sollten... Broders Stärke ist in der Tat die politische Satire, nicht die Politik. Ähnlich wie bei Biermann. G.Aparicio, Stuttgart

Wie beruhigend, daß die Anhänger des „Wo-waren-die-Demonstranten-als“-Journalismus, die seit der Einstellung des ZDF-Magazins ein bißchen zu kurz gekommen sind, jetzt wieder versorgt werden, und ausgerechnet von Eike Geisel und Henryk M.Broder. Und wer hätte gedacht, daß es ausgerechnt die taz sein würde, die in diese Marktlücke springt? Der Kalte Krieg ist tot — es lebe die neue Weltordnung! Patricia Rahtz, (West)Berlin

[...] Ich denke, Demonstrationen haben den Zweck, Forderungen an die Herrschenden zu richten und/oder Informationen und Meinungen, die ansonsten kein Gehör finden, an die Öffentlichkeit zu bringen. Demonstrationen sind ein, meist nicht sehr wirksames, politisches Instrument der Minderheiten und Machtlosen. Und wenn sie totgeschwiegen oder bekämpft werden, dienen sie immerhin noch dazu, den Teilnehmenden zu zeigen, daß sie mit ihrer Meinung und ihren Forderungen nicht allein sind — ein Mittel gegen Verzweiflung.

In der Frage des Völkermords in Kurdistan ist „die Friedensbewegung“ ausnahmsweise einmal nicht in der Minderheit. „Stoppt den Völkermord in Kurdistan“ ist eine Forderung, über die, zumindest verbal, gesellschaftlicher Konsens besteht. Alle verurteilen Saddam Hussein, alle wollen den KurdInnen helfen, die Medien berichten ausführlich und manchmal sogar kritisch — soll „die Friedensbewegung“ demonstrieren, nur um zu sagen: „Wir auch“? Oder nur um von den Golfkriegsbefürwortern dafür gelobt zu werden, daß sie endlich für und gegen die „Richtigen“ demonstriert?

Wenn viele KriegsgegnerInnen jetzt weniger sagen: Liegt das nicht einfach daran, daß die Tatsachen (und die Schreckensbilder) für sich sprechen und daß statt vieler Worte Taten (und sei's auch nur das Ausfüllen einer Zahlkarte) vonnöten sind?

Daß die Golfkriegsbefürworter das Elend der KurdInnen dazu benutzen, den GolfkriegsgegnerInnen nachträglich eins auszuwischen, verursacht Übelkeit — vielleicht sollten eher sie jetzt mal zehn Jahre in die „Teestube“ oder wohin auch immer gehen — und den Mund halten. Anna Wolf, München

Die polemischen und zynischen Kommentare von Henryk Broder zur Haltung der Golfkriegsgegner, jetzt angesichts der Kurdentragödie zu neuer Hochform aufgelaufen, sind kein Beitrag zu einer wirklichen Debatte, denn sie wollen gar keine Antwort hören, es sei denn zur eigenen Rechtfertigung. Hat Broder immer noch nicht begriffen, daß hinter der amerikanischen (und im weiteren Sinne westlichen) Golfkriegspolitik keinerlei Moral stand, und schon gar nicht die, die Broder vertritt? Dies war keine „antifaschistische Aktion“, sondern ein Zurechtstutzen eines übermütig gewordenen Alliierten. Man sah schon einmal zu, wie Saddam Hussein die Kurden massakrierte, man tut es wieder. „Kurden- Schutzzone keine Priorität“, für die USA laut Baker. Es geht überhaupt nicht darum, ob der Krieg zu früh beendet wurde, sondern warum. Nur wenn er aus den Gründen geführt worden wäre, die Broder vertritt, hätte diese Frage einen Sinn.

Entgegen aller Propaganda bestand aber überhaupt kein Interesse am Sturz des Regimes in Bagdad, und schon gar nicht an seine Ersetzung durch ein demokratisches. Allenfalls hat man auf einen Militärputsch gehofft, der Saddam Hussein gestürzt, die Strukturen aber bewahrt hätte. Der Aufruf Bushs an die Iraker, Saddam Hussein zu stürzen, wurde von Schiiten und Kurden gründlich mißverstanden. Hätten die Schiiten die Oberhand bekommen, wäre wohl sogar eine Verteidigung Saddam Husseins nicht ausgeschlossen gewesen.

Und die Kurden? Lieber ließe man sie doch alle verrecken, als ihnen das Recht auf einen eigenen Staat einzuräumen, der nicht nur die Ordnung des Nahen Ostens umkrempeln würde. Die humanitären Hilfsaktionen für die Kurden verdanken sich doch allein der Peinlichkeit der Lage für den Westen, der sie zum Aufstand ermunterte und dann kalt abschlachten ließ. Juristisch gesehen, wäre dies wohl nicht nur unterlassene Hilfeleistung, sondern Beihilfe zum Mord. Natürlich sind die Golfkriegsgegner argumentativ in der Klemme: Fordern sie eine Liquidierung Saddam Husseins, wie Broder es vertritt, würden sie zwangsläufig den Golfkrieg nachträglich mit einer Moral rechtfertigen, wegen der er nun wirklich nicht geführt wurde. Das ist aber nicht die Schuld der Kriegsgegner. Wolfgang Geiger,

Frankfurt am Main

[...] Die Beiden bestreiten gewissen Friedfertigen das Recht, jetzt die amerikanische Politik zu kritisieren! Schade, denn dadurch schließen sie sich selbst aus dem Diskussionsprozeß der Friedensbewegten, den sie ja nicht unterbinden können, aus. Denn wer von uns hält es jetzt noch für bereichernd, diesen journalistischen Dreschflegeln Beachtung zu schenken? Jochen Martin, Wilhelmshaven

Die Umwandlung des ordinären Kriegstreibers (bellicistum vulgaris) in einen gloriosen Bellizisten ist dem publizistischen Genetiker Henryk M.Broder gelungen. Mit seinem sauberen neuen Gebilde lassen sich sofort supraklare politische Positionen trefflich skizzieren:

George Bush ist in diesem Sinne ein Staats- und Lobbybellizist, Izhak Shamir ein Traditions- und Machtbellizist, Saddam Hussein ein Schlagumsich- und Mordbellizist, Klaus Hartung Philobellizist, Reinhard Mohr Opportunobellizist und Udo Knapp Knapp-Bellizist.

Bello, bello bellicissimo Henryk taz Broder! Gernot Wirth,

Bonn (Bellizistenbewunderer)

„Gib einem Faschisten eine zweite Chance — und“ auch Georg Bush wird sie nützen

Dieser Artikel ist wirklich unglaublich, unglaublich wie alles, was in den letzten Wochen über die Friedensbewegung geäußert worden ist. [...] Ein Satz dieser wunderbaren Abhandlung über die Schuld der Friedensbewegung am Golfkrieg scheint den beiden Schreiberlingen besonders auf der Zunge zergangen zu sein: „Nicht, daß die Alliierten den Krieg angefangen haben, ist ihnen anzulasten, sondern daß sie ihn zu früh beendeten.“ [...] Vor soviel Schwachsinn kann ich wirklich nur noch schaudern. In welcher Weise hebt sich eigentlich diese Äußerung von Lothar Baiers „viel zu unspezifischer Kriegsrealität“ ab? Wo sind die Nuancen oder die Unterschiede?

„Warum gehen heute nur ein paar klägliche tausend auf die Straße, um gegenden Völkermord an den Kurden zu demonstrieren, während sich zur Zeit des Golfkrieges täglich Zehntausende durch die Straßen wälzten und ,USA — internationale Völkermordzentrale‘ skandierten?“ Warum? Es ist ein lustiger Teufelskreis: Erst wird einem vorgeworfen, daß man nicht schon am 2.August demonstriert hat, dann wird einem vorgeworfen, daß man nicht mehr demonstriert. Dabei haben sich die Friedensdemonstrationen im Januar doch größtenteils genau gegen das gerichtet, was nun eingetreten ist: Für die Ölindustrie geopferte Menschen, brennende Ölquellen mit Aussicht auf Ölwinter von Australien bis Berlin, wunderbare persische Ölteppiche im Golf, Völkermord, Vertreibung, Flüchtlingselend, Erschütterung und Zerstörung einer ganzen Region etc.

[...] Und zum Thema Faschismus: Die Bilder aus dem amerikanischen Fernsehen, die zeigten, wie in einer Mammutveranstaltung die rückkehrenden GIs gefeiert wurden, mit nationalistischem Songgetöse („I am proud to be american“), Fähnchen und Siegesjubel, Henry Ford, Ronald Reagan und George Bush im Publikum mit Siegestränen in den Augen, an was hat mich das erinnert? An die Abstiegsfeier von Hertha BSC mit Sicherheit nicht.

Eines ist doch klar: Die Scheiße am Golf ist am Dampfen. Ist es nicht so, daß wir alle wieder froh sein dürfen, im schönen Deutschland zu leben, mit sicheren Grenzen, in schönen Wohnungen, ist es nicht so, daß wir alle froh sein dürfen, genug zum Fressen zu haben? Der Schritt vom Zynismus zur Realität ist nicht weit. Wozu noch demonstrieren? Die neue Weltordnung wird's schon richten. Wenn nicht, den Rest besorgen wir schon selber, in Livorno, Harrisburg, Tschernobyl oder sonst wo. Der Wald stirbt, Allah sei Dank, auch und den Rest besorgt das Ozonloch. Vielen Dank.

Momentan wird Krieg als Mittel gegen seine eigenen Auswirkungen gefordert und denen, die sich gegen den Krieg aussprachen, vorgeworfen, sie tolerierten die Auswirkungen oder „verputzten“ irgendwas. Stefan Wirner, (Ost)Berlin

[...] Warum lügen die beiden Herren, wenn sie der USA unterstellen, sie wären nicht für das Schicksal der KurdInnen im Irak verantwortlich? Niemals war die menschenverachtende Politik des US-Imperialismus deutlicher, der die kurdischen Menschen direkt zum Aufstand aufrief, um sie, die militärisch der Armee des Irak nicht standhalten konnten, der Vernichtung preiszugeben. Damit wird nämlich ein potentiell widerständiges Potential vernichtet. Die kurdischen Menschen haben keinen Platz in dem Projekt der neuen Welt, welches die weißen Metropolenherren gerade planen. Wenn ihnen das blutige Geschäft ein nun wieder genehmer Lokaldiktator abnimmt, um so besser für die Herren der USA. Dann können sie ihre zur Armee durch soziale Not gepreßten Söldner derweil woanders Menschen abschlachten lassen. Denn überall ist Kampfgebiet für diese Herren — und das wissen die kämpfenden Menschen weltweit nur zu gut.

Die Schlampigkeit in der Argumentation der beiden Herren zeigt sich an einem weiteren, nicht unwichtigen Beispiel: „...weil sie es unterlassen haben, Auschwitz zu bombadieren...“; was für ein Unsinn, ein mit Menschen vollgestopftes KZ zu bombardieren. Was wohl gemeint ist, ist die Frage, warum wurde die Infrastruktur zur Massenvernichtung von JüdInnen im Faschismus nicht von den Alliierten bombardiert, obwohl die Ziele durch mutige Menschen den Alliierten bekanntgemacht wurden?

An eine Antwort wagen sich diese Herren erst gar nicht ran. Dann müßten sie nämlich zugeben, daß die Vernichtung von Millionen, vor allem den ostjüdischen Menschen, die potentiell sich den Verwertungsinteressen des Kapitals entgegengestellt hätten, im Interesse gerade auch der westlichen Alliierten waren, für deren kapitalistische Großraumpolitik die Menschenvernichtung im Faschismus eine wichtige Zuarbeit war. Peter Nowak, (Ost)Berlin

[...] Es waren die Alliierten, die durch ihre Waffenlieferungen Saddam Hussein erst in die Lage versetzt haben, Kuwait zu vernichten. Nicht etwa die in der Fiedensbewegung engagierten Menschen, die seit Jahren schon gegen Rüstungsexporte protestieren. Es ist ja auch nicht so, daß Saddam Hussein nun zum ersten Mal zeigt, wie er mit ihm unliebsamen Minderheiten umgeht. Die Menschenrechtsverletzungen im Irak haben nicht erst seit Kriegsende begonnen, sondern sind seit der Machtübernahme durch Saddam Hussein an der Tagesordnung. Nur gestört hat das die Industrienationen nicht, solange mit ihm „gute“ Geschäfte zu machen waren. Saddam Husseins Fehler war nicht seine Brutalität, sondern daß er es gewagt hat, auf eine besonders empfindliche Zehe (vor allem der USA) zu treten: den Zugang zum Öl. Es sollte nicht vergessen werden: dieser Krieg wurde nicht geführt, um Menschenrechtsverletzungen durch einen Diktator zu verhindern, sondern um unsere energieverschwendende Lebensweise aufrecht erhalten zu können.

Es ist den Alliierten anzulasten, daß sie diesen Krieg begonnen haben, denn es hat die Möglichkeit gegeben Saddam Hussein zu stürzen ohne Krieg zu führen. Die komplette Isolierung Iraks, politisch und wirtschaftlich, hätte zwangsläufig zu einem Zusammenbruch dieser Diktatur geführt, ohne Völkermord an Kurden. Aber vielleicht liegt der Sturz Saddam Husseins gar nicht im Interesse der USA?

[...] Das absolut dämlichste an diesem Artikel sind allerdings die Schuldzuweisungen an die Friedensbewegung. Während die von den Autoren jetzt so hochgelobten Alliierten an den Waffenexporten in den Irak kräftig verdienten, ging die Friedensbewegung auf die Straße um dagegen zu protestieren — ohne Erfolg. Als die Alliierten diesen vermeidbaren Krieg anzettelten, Proteste — ohne Erfolg.

Jetzt, anläßlich des Völkermordes an den Kurden, Schuldzuweisung an die Friedensbewegung. Warum? Vielleicht, weil all die Kriegsbefürworter angesichts des Schweigens der Friedensbewegung nun die Möglichkeit sehen, ihr Unbehagen und ihre Schuldgefühle über diese von ihnen verursachte Kriegsfolge abzuschieben?

[...] Es ist sehr schwierig, als Pazifist, in einer durch Gewalt entstandenen Situation, die nur durch Gewalt lösbar scheint, gewaltfrei zu bleiben und diese Haltung zu begründen. Der Friedensbewegung „süffisantes Grinsen und klammheimliche Genugtuung“ zu unterstellen und sich zum wahren Retter der Menschen aufzuspielen, die man zuerst in diese Situation gebracht hat, ist von einer Dummdreistigkeit, die nicht mehr zu überbieten ist. Ursula Kretzer,

Offenbach am Main

[...] Den Kurden muß jetzt sofort geholfen werden, und zwar nicht durch Medienspektakel à la Broder/Geisel, sondern durch die Bereitschaft der Staaten den Flüchtenden zu helfen, sie gegebenenfalls aufzunehmen. Der Diktator Hussein muß weg, aber bitte dann auch die, die ihn gesponsert haben, an erster Stelle Bush und Genossen. Aber bitte, Ihr Tugendwächter, damit wir uns nicht falsch verstehen: nicht die Amerikaner oder die Israelis sind die, die ich beschuldige. Es sind die Machthaber in den kapitalistischen Staaten, die sich mit Eurer Hilfe ein moralisches Mäntelchen umhängen und von der Mehrheit auch noch gefeiert werden.

Schießt nur weiter um Euch, aber paßt auf, daß Euch nicht mal der eigene Querschläger trifft! Gerhard Kern, Morbach