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'DAZ‘ überlebte den Markt nicht

Die Leiziger 'Andere Zeitung‘ muß heute Konkurs anmelden/ Nach einem Auflagentief im letzten Sommer scheiterte das alternative Blatt an einer naiven Geschäftsführung und fehlendem Kapital  ■ Von Jan Peter

Leipzig. Die Leipziger 'Andere Zeitung‘ (DAZ) ist pleite. Nach turbulenten Rettungsversuchen in den letzten Wochen kommt am heutigen Mittwoch das Aus für die einzige regionale Wochenzeitung, die von der großen DDR-Revolution übriggeblieben war. Die 'DAZ‘ in Leipzig, Halle und Umgebung nach fast anderthalb Jahren schon ein Synonym für den Versuch, eine regionale Zeitung zu produzieren, die ein Stück jener oft beschworenen „DDR-Mentalität“ verspüren läßt und dennoch nicht provinziell ist. Ein Versuch, der trotz inhaltlicher Lernschwächen der Zeitung und einer letztlich tödlich naiven Geschäftsführung doch reichlich Beachtung fand.

Entstanden war das Projekt im Herbst 1989, als sich in einer Wohnung fünf Leute zusammenfanden, die für das gerade gegründete Neue Forum einige Flugblätter herausgeben wollten. Das erste „Informationsblatt Neues Forum Leipzig“ erschein so am 18. Oktober 1989. Doch dies sollte sich bald ändern. Schon ab Nummer 7 des Informationsblattes wurde eine Auflage mit 10.000 Exemplaren gedruckt. Die Blätter wurden während der Leipziger Demonstrationen verteilt und reichten oft nur wenige Minuten.

Dafür verstärkten sich die Spannungen mit dem Neuen Forum täglich. Es war für die Blattmacher Holger Ahrens, Peter Fräbel und Jan Peter einfach unmöglich, irgendwelche Linien der „Parteiräson“ einzuhalten und so gründeten sie im Dezember 1989 ihren von allen Parteien und Bewegungen unabhängigen Verlag, in dem später die 'DAZ‘ erschien.

In dieser Zeit der DDR schossen die „Unabhängigen Wochenzeitungen“ mit dem „Anderen“ im Namen wie Pilze aus dem Boden. So fanden auch die 'DAZ‘-MacherInnen ihren Titel ganz alleine und waren sehr erstaunt, im ganzen Land plötzlich von ähnlichen Projekten umgeben zu sein. Die erste Ausgabe der 'DAZ‘ erschien am 31. Januar 1990 und wurde innerhalb weniger Stunden 40.000 mal verkauft, weshalb die ersten Rechnungen noch vom Verkauf der ersten Nummern beglichen werden konnten.

Doch die 'DAZ‘ blähte sich auf und wuchs weiter in ungeordneten Verhältnissen. Einer zum Sommer 1990 hin dramatisch zusammenbrechenden Auflage wurde mit einer auf Risiko finanzierten Werbekampagne und einem neuen mehr auf Service und Kultur ausgerichteten Konzept begegnet. Es gelang, die Auflage wieder abzuheben und im Herbst 1990 begann die verhängnisvollen Verhandlungen mit einem englisch- amerikanischen Großverlages. Dieser wollte Millionen in den Ausbau der 'DAZ‘ investieren und damit — wie sich später herausstellte — Gelder in den USA nach Europa retten. Aber nach drei Monaten platzte das Geschäft — und die 'DAZ‘-Geschäftsführung stand vor einem Zeitverlust, den sie bis zum Ende nicht wieder aufholen konnte.

Nun wurden für die geplanten und auflagentechnisch notwendigen Erweiterungen der 'DAZ‘ nach Dresden und Chemnitz fieberhaft Kredite beantragt und neue Geschäftsführer gesucht. Diesen Wettlauf gegen die Zeit hat die 'DAZ‘ letztlich verloren. Es wurde zwar ein West-Gesellschaften gefunden, der aber kurzfristig seine Gelder wieder aus der Firma zog. Die Kraft der Redaktion war angesichts sechsstelliger Schulden endgültig erschöpft. Aber die 'DAZ‘ hat während der anderthalb Jahre ihres Bestehens für beträchtliche Furore gesorgt. Sei es wegen ihrer riesigen Publicity — besonders in den USA und Großbritannien, vom European über ABC und NBC bis zur 'New York Times‘ reichten die Kontakte und die Artikel über die 'DAZ‘. Oder sei es wegen ihrer oft leicht größenwahnsinnigen Projekte wie dem Kulturmagazin 'Kreuzer‘ das ab Januar 1991 in die 'DAZ‘ eingelegt wurde und sogar in die Kulturförderung des CDU-regierten Landes Sachsen hineinrutschte. Letztlich aber gaben die Fehler in der Geschäftsführung — die 'DAZ‘ hatte zeitweise bis zu 18 Beschäftigte — und das fehlende Kapital den Ausschlag für den nun erfolgten Konkurs. „'DAZ‘ fehlte noch“, so startete vor wenigen Wochen die letzte Werbekampagne. Nun fehlt sie tatsächlich. Und die Provinz wird ein Stück düsterer.

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