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Hungrige Herzen auf Eis

■ Das deutsche Team verliert bei der Eishockey-WM gegen Kanada knapp mit 2:3 und freut sich

Turku (dpa/taz) — So langsam scheint sich die deutsche Eishockey- Nationalmannschaft auf dem finnischen Weltmeisterschafts-Eis einzuglitschen. Nach der demoralisierenden 1:8-Niederlage gegen Schweden und dem anschließenden 3:7 gegen die UdSSR tobte Bundestrainer Ladislav Olejnik derart mit seinen schlaffen Buben, daß diese sich besannen und gegen die Profis aus Kanada nur knapp mit 2:3 unterlagen.

Dannach lehnte sich Kapitän Udo Kießling zufrieden zurück: „Ein schönes Spiel, wir haben mit viel Pech verloren. Nach den vielen Absagen haben wir ein verjüngtes Team mit vielen hungrigen Leuten. Der Erfolg ist schon zu sehen.“ Trainer Olejnik hörte vor Begeisterung gar auf zu schreien: „Die Mannschaft hat mehr Mut und Disziplin bewiesen. Leider ist es nicht belohnt worden. Wir waren ein würdiger Gegner für eine so starke Mannschaft wie die Kanadier.“ Sogar Kanadas Assistenzcoach Doug Carpenter ließ sich zu freundlichen Lobeshymnen überreden: „Die deutsche Mannschaft war außergewöhnlich gut. Es war schwer gegen sie, vor allem gegen ihren guten Torwart mehr Tore zu schießen.“

Dabei hatten sich die Kanadier am Sonntag noch mit fünf Profis der amerikanischen NHL-Liga (Fleury, Macoun, Vernon von den Calgary Flames, Nattress sowie Bozeck von Vancouver Canucks) verstärkt. Doch statt Respekt und Zurückhaltung legten die hungrigen Deutschen Engagement und eine geradezu kindliche Unbekümmertheit aufs Eis: Entgegen aller Abmachungen diktierten sie das Spiel lange Zeit und drehten den Spieß früherer Zeiten um: Harsch stiegen sie in Zweikämpfe ein, wo sie früher gegen die Rauhbeine aus der NHL immer mit heftigem Knieschlottern und Fracksausen zu kämpfen hatten.

Die Lust am Spiel ging selbst nach zweimaligem Rückstand nicht verloren. Das 0:1 von Konroyd bügelte der Frankfurter Michael Rumrich schon eine Minute später aus. Das 1:2 durch Courtnall konterte Kölns Thomas Brandl mit einer Einzelleistung, die er direkt aus dem Lehrbuch imitierte. Dem erneuten Ausgleich folgte zwar postwendend das 2:3 durch Fleury, doch auch das schien die deutsche Equipe kaum zu registrieren. In der letzten Minute setzte sie nochmals alles auf eine Karte, nahm den heldenhaften Berliner Torhüter Merk zugunsten eines weiteren Stürmers aus dem Kasten. Leider umsonst.

Verloren haben Keißlings Burschen trotz alledem, doch man hatte schließlich mit einer wesentlich höheren Schlappe gerechnet. Der nächste Gegner, die CSFR, wird auf ein gutgelauntes und erheblich selbstbewußteres deutsches Team treffen. Doch auch die Tschechoslowaken haben keinen Grund für Trübsal: Sie putzten die Schweizer Eisgarde mit 4:1 vom Platz.

Titelverteidiger UdSSR und Kanada blieben bisher als einzige Mannschaften ohne Punktverlust und rangeln sich um die Spitzenposition. Die Sowjets errangen am Montag in Helsinki gegen die Finnen mit dem 3:0 schon den dritten Sieg. Im vierten Spiel des Tages kam die USA zu einem 4:4 gegen Vizeweltmeister Schweden, der mit 4:2 Zählern den dritten Rang einnimmt.

Und während sich die starken Männer auf dem Eis um Punkte und Tore rangeln, küngeln die alten einen neuen WM-Modus aus: Die WM 1992 in Prag und Preßburg erhält ein reformiertes Spielsystem. Nicht, weil das jetzige ungeeignet wäre, jedoch es ist zu wenig werbewirksam, finden die Hauptsponsoren und Fernsehanstalten. So beugte IIHF- Präsident Günther Sabetzki demütig das Haupt zum Kotau und erklärte: „Aus Rücksicht auf unsere Geldgeber darf es keine Luschenspiele geben.“ Über die genaue Form ist man sich noch nicht einig, fest steht einzig, daß der Vorrunde eine Play-off- Runde im K.o.-System folgen soll, einschließlich Viertel- und Halbfinale und einem echten Endspiel um den WM-Titel.

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