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Gestaltungsspielraum

■ Bundesverfassungsgericht bestätigt Bodenreform in der sowjetisch besetzten Zone

Gestaltungsspielraum Bundesverfassungsgericht bestätigt Bodenreform in der sowjetisch besetzten Zone

Das Bundesverfassungsgericht hat gesprochen: Die von der sowjetischen Militäradministration 1945 bis 1949 verfügten entschädigungslosen Enteignungen des ostelbischen Großgrundbesitzes und die Enteignung von Kriegsverbrechern sind seit gestern geltendes Recht. Damit ist ein Stück der DDR-(Vor)Geschichte in die neue Bundesrepublik integriert, damit sind mit den Folgen des Zweiten Weltkrieges weiterhin auch jene Gruppierungen der deutschen Gesellschaft belastet, die den imperialistischen „Ritt nach Osten“, den Raub- und Vernichtungskrieg gegen Osteuropa politisch gewollt und nach Kräften gefördert haben. Zumindest implizit respektiert das Urteil die sächsische Volksabstimmung von 1946 als demokratisch legitimierten und legitimierenden Akt: Damals sprachen sich 77,6 Prozent der Abstimmenden für eine entschädigungslose Enteignung aus.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts akzeptiert ein historisches Faktum. Sie trägt dem Umstand Rechnung, daß die Deutschen weder Demokratie noch die Abschaffung der feudalen Eigentumsordnung auf den Barrikaden erstritten. Was andere Völker mit Hilfe erfolgreicher Revolutionen und aus eigener Kraft durchsetzten, erzwangen in Deutschland eben die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges. Dazu gehörten nicht nur die deutlichen Vorgaben für den demokratischen und föderalen Staatsaufbau in Westdeutschland, dazu gehörte es eben auch, Preußen mitsamt seiner materiellen Basis — dem Großgrundbesitz — zu zerstören. Heute erweisen sich die unterschiedlichen — und oft gegensätzlichen — Praktiken der Besatzungsmächte als geschichtlich produktiv, als kongenial im Sinne einer neuen deutschen Republik.

Selbstverständlich hat das Gericht so nicht argumentiert. Es hat festgestellt, daß nicht jedes historische Faktum, nicht jede strittige politische Frage verrechtlicht und in Karlsruhe entschieden werden kann — darin liegt die allgemeine rechtspolitische Bedeutung dieses Urteils. In diesem Sinn räumte das Gericht Regierung und Parlament einen „besonders weiten Gestaltungsspielraum“ für Ausgleichszahlungen an die Enteigneten ein. Im Klartext: Die Zahlungen werden weit unter den Summen bleiben, die für eine Entschädigung erforderlich wären. Sie dürfen sich nicht an den Ansprüchen der Enteigneten, sondern nur an den Möglichkeiten der angespannten öffentlichen Haushalte bemessen. Damit wird die Frage der Ausgleichszahlungen zum Gegenstand der öffentlichen Debatte: Die Regierungsmehrheit muß entscheiden, ob der Ausgleich an die von Ribbentrops oder von Ribbecks wichtiger sind als die Sanierung der Leipziger Altstadt und die Finanzierung neuer Arbeitsplätze. Niemand wird sich dabei hinter den Karlsruher Richtern verstecken können. Götz Aly

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