: Noch fürchten Bauern den afrikanischen „Nzou“
Im Norden Simbabwes will die Regierung der Bevölkerung Naturschutz schmackhaft machen/ Elefanten und Touristen im „Mvuradona Wilderness Area“ sollen Mais und Vieh ersetzen/ Die Kleinbauern teilen diese Naturbegeisterung nicht ■ Aus Harare Willi Germund
Die großen runden Fährten führen in ein Sojafeld — und dort ist Spurenlesen überflüssig: Die Elefanten haben sich den Magen gefüllt und dabei das komplette Feld niedergetrampelt. „Die sind gleich dahinten auf der anderen Seite des Flusses“, sagt der Bauer. Aber zeigen will er das Versteck der Herde nicht. „Wozu soll ich meine Zeit verplempern. Du schießt ja doch nicht.“
„Ich glaube, ich bin der unbeliebteste Mann der Gegend, weil ich keine Elefanten schießen will“, sinniert Wildhüter Richard Naisbitt, während er — das Gewehr auf der Schulter — mit drei Begleitern durch mannshohes Gras und Gebüsch zu dem vorgeblichen Versteck stapft. Doch „Nzou“ — wie der Elefant im Shona der in Muzarabani lebenden Kleinbauern heißt — hat Lunte gerochen und sich verdrückt. Geister der Nacht, so geht die Sage, geben ihre Träume an Nzou weiter, wenn Unheil im Verzug ist.
Eigentlich sollten die Bauern des nahegelegenen Muzarabani, einem kleinen Dorf im Sambezi-Tal 250 Kilometer nördlich von Simbabwes Hauptstadt Harare, für Naisbitt Verständnis haben. Denn das Gebiet gehört zum Projekt „Campfire“ (Lagerfeuer), und so sind die Bauern nicht nur Eigentümer der Elefanten — sie sollen auch aus den Einkünften des Naturparks „Mvuradona Wilderness Area“ profitieren. Die faszinierende Idee: Naturschutz nicht auf Kosten, sondern zum Nutzen der Bauern. Denn wenn die Kleinbauern an der Nutzung der Tiere Geld verdienen, so die einleuchtende Idee, dann würden sie auch Interesse an ihrem Schutz haben.
Das Rezept zur Rettung von Afrikas Natur? Martin vertritt die These vehement: „1.000 Quadratkilometer mit Elefanten, Löwen, Antilopen und Büffeln können runde 2,5 Millionen Dollar Einkommen pro Jahr bringen. Für eine Kuh erhalten sie nur 180 Dollar, ein Zebra bringt das dreifache.“ Ginge es nach den Kleinbauern, hätten die Elefanten jedoch trotz „Campfire“ kaum Chancen. „Antilopen und Büffel, das ist in Ordnung“, schildert Naisbitt seine Erfahrungen, „aber von Elefanten wollen sie nichts wissen.“
Kein Wunder: Ein Bauer, der sich vor fünf Jahren mit Unterstützung der Regierung in Muzarabani ansiedelte, verlor fünmal die komplette Ernte auf seinem einzigen Feld. Mais und Hirse füllten die Mägen der Jumbos. „Außerdem glauben die Leute nicht, daß sie von den Tieren profitieren können“, sagt der 25jährige Wildhüter. Hier kaufen vor allem Großfarmer Tiere auf, weil sie ihre durchschnittlich 1.500 Hektar großen Anwesen in private Wildparks verwandeln. Über 700.000 Touristen kamen im letzten Jahr nach Simbabwe — zum größten Teil zahlungskräftige Besucher, die mit der Kamera auf Safari gingen. Die meisten Sportjäger sind Nordamerikaner und Deutsche.
Das Zambezi-Tal ist noch eines der vom Tourismus unberührtesten Gebiete Simbabwes. Wildtiere streifen frei herum und sind nicht in Gehege oder Naturparks eingeschlossen. In der Ferne, auf der nördlichen Seite des flachen Tals, glitzert das Wasser von Mosambiks Cabora- Bassa-Staudamm. Schnurgerade Feldwege ziehen rötliche Streifen in das Tal hinter Muzarabani, das zum größten Teil noch von Busch bewachsen ist.
Bis Harare sind es knapp drei Stunden Autofahrt und eine halbe Welt. Ein einziges Geschäft weit und breit verkauft kaltes Bier und Limonaden. Die nächste Tankstelle ist 50 Kilometer entfernt. Die etwa 38.000 Menschen, vorwiegend Kleinbauern, rund um Mvuradona leben in traditionellen Rundhütten, ihre Krals sind teilweise noch von Dornenhecken geschützt. Nahezu unberührte Idylle mit einem großen Nachteil: Wenig Touristen bedeuten wenig Einkommen. So fehlen die Mittel, um das Schutzgebiet wirksam zu schützen. Die Bewohner des angrenzenden Gebiets haben drei Jahre nach Beginn von „Campfire“ auch keinen finanziellen Profit gesehen. Vor einigen Wochen gab es magere 700 Dollar pro Gemeinde mit je 2.000 Einwohnern — aus dem Erlös eines sechs Jahre zurückliegenden Elfenbeinverkaufs. „Wenn der Bann gegen Elfenbeinverkauf nicht wäre“, ärgert sich Martin, „könnte ich meinen Vorrat verkaufen und hätte pro Distrikt 200.000 Dollar mehr für den Naturschutz.“ Das Elfenbein stammt vom „Culling“, der Schlachtung zur Vermeidung von Überbevölkerung bei Simbabwes 66.000 Elefanten.
Die Front von Martins Gegnern ist breit. „Wir befinden uns in einem Wettrennen mit dem Landwirtschaftsministerium“, sagt er. Dessen Beamte wollen Ackerboden gewinnen, Martins Abteilung möchte so viel wie möglich von der verbliebenen Natur retten. Und die Europäische Gemeinschaft beteiligte sich an einem Programm zur Ausrottung der Tse-Tse-Fliege, die bisher jede Form von Viehwirtschaft im Zambezi-Tal verhinderte. Jetzt geht den Brüsseler Bürokraten auf, daß sie damit die Grundlage zur Gefährdung der Natur in dem Gebiet gelegt haben. Per Landnutzungsplänen wollen sie jetzt die landschaftszerstörende Viehwirtschaft verhindern — und sorgen damit für grenzenlose Verblüffung unter den Kleinbauern der Region. Nur um Viehwirtschaft zu ermöglichen, werde die Tse-Tse- Fliege schließlich ausgerottet, argumentieren sie zu Recht.
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