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Bonn will Pro Familia im Osten nicht

■ Beim Aufbau der Schwangerschaftsberatungsstellen bekommen vor allem konservative kirchliche Träger den Zuschlag/ Geburten und Schwangerschaftsabbrüche im letzten Jahr stark zurückgegangen

Berlin/Bonn. Die FDP will Druck machen, daß beim Aufbau von Beratungsstellen für Schwangere in den neuen Bundesländern auf ein Angebot verschiedener Träger geachtet wird. Dies sei im Einigungsvertrag festgelegt worden, betonte der stellvertretende FDP-Vorsitzende Gerhart Baum vorgestern in Bonn. Die Liberalen würden auch keine Benachteiligung von Pro Familia hinnehmen und in der Koalition auf deren gleichberechtigte Beteiligung drängen, sagte er. Die Gesellschaft für Sexualberatung wird von AbtreibungsgegnerInnen stark angefeindet und beschuldigt, sie rate Frauen nicht nachdrücklich genug zu einer Fortsetzung ihrer Schwangerschaft.

Baum reagierte damit auf Vorwürfe, die Bundesregierung würde bei der Förderung von Beratungsstellen einseitig verfahren. So werden von den derzeit 69 in den neuen Ländern eingerichteten Beratungsstellen 49 von kirchlichen Trägern wie Diakonie und Caritas geführt. Der Rest liegt in den Händen kommunaler Träger. Pro Familia, die im Westen über 120 Beratungsstellen unterhält, hat es hingegen bisher noch nicht geschafft, eine von Bonn geförderte Beratungsstelle im Osten zu eröffnen. Als Grund dafür gab ein Sprecher des Familienministeriums formelle Gründe an: Die Anträge seien nicht genehmigungsfähig gewesen.

Bei Pro Familia werden die Dinge etwas anders gesehen. So klagt Vorstandsmitglied Elisabeth Lutz über eine „regelrechte Ausgrenzungspolitik“ des Bonner Familienministeriums. Die Gründe sind naheliegend: Im Hinblick auf die Reformierung des Paragraphen 218 sehen es die ChristdemokratInnen in der Regierung natürlich lieber, wenn gesinnungsmäßig ihnen nahestehende Träger die neuen Beratungsstellen im Osten übernehmen. Und nicht Pro Familia, die öffentlich immer wieder für die Abschaffung des Paragraphen eingetreten ist. Nach langem bürokratischem Hickhack soll nun voraussichtlich im Mai die erste Pro Familia-Filiale Ost in Leipzig eröffnet werden.

Die Bundesregierung übernimmt ab 1. Mai neunzig Prozent der Kosten der Beratungsstellen. 15 Millionen Mark stehen dafür 1991 insgesamt zur Verfügung. Die restlichen zehn Prozent müssen die neuen Länder aufbringen. Und wer bezahlt, bestimmt. Wo welche Beratungsstelle hinkommt, wird in Bonn entschieden.

Ähnliche Vorwürfe gegen Bonn hatte es bereits Ende letzten Jahres gegeben. Stein des Anstoßes waren seinerzeit die Richtlinien des zuständigen Ministeriums für die Förderung der Beratungsstellen in den neuen Ländern. Auf die Kritik von SPD-Politikerinnen, Gewerkschafterinnen und Frauenministerinnen stieß insbesondere die Passage, die als „Ziel der Beratung“ den Schutz des ungeborenen Lebens vorschreibt. Das Bonner Ministerium rechtfertigte sich mit dem Text des Einigungsvertrags, der genau so zu interpretieren sei. dpa

Halle. Einen Absturz der Geburtenzahl in den fünf neuen Ländern verzeichnen Mediziner aus Ostdeutschland. Rund die Hälfte weniger Kinder sind nach Angaben des Chefarztes der Frauenklinik, Professor Uwe Herter, im Bezirkskrankenhaus Halle 1991 im Vergleich zum vergangenen Jahr zur Welt gekommen. In Gesprächen mit Kollegen aus anderen Regionen Ostdeutschlands habe er erfahren, daß Halle kein Einzelfall sei. Im allgemeinen seien 25 bis 50 Prozent weniger Kinder geboren worden. Rückläufig sei allerdings auch die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche, sagte der Arzt.

Als Ursache dafür sieht Prof. Herter ein Umdenken bei den Menschen. Beispielsweise sei man sich darüber im klaren, daß ein mit dem Abbruch verbundener Krankenhausaufenthalt den Arbeitsplatz gefährden könne. „Die Menschen passen besser auf“, meinte der hallenser Ehe- und Sexualberater Dr. Claus Drunkenmölle dazu. Wegen sozialen Existenzängsten ließen sich die Menschen mehr als vorher von einem „disziplinierten Sexualverhalten“ leiten. adn

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