piwik no script img

Kurdistan ist überall

■ amnesty international: Weltweit werden Ureinwohner unterdrückt, vertrieben, gefoltert und gemordet

Bonn (taz) — Das elendigliche Sterben der KurdInnen rüttelt die Weltöffentlichkeit auf — zumindest im Moment. Rücksichtslose Menschenrechtsverletzungen an Millionen vor Abermillionen Fernsehzeugen. Eine solche Kameralobby haben andere Völker nicht. Sie sterben langsam, unbemerkt, in ähnlicher, wenn nicht größerer Zahl, nur eben unspektakulär verteilt auf der Erdkugel. Indianer versteckt unter den Dschungeldecken des brasilianischen Regenwaldes, wo kahlgeschlagen wird für Gold und Viehweiden, die Innu in Kanadas Norden, wo Nato-Bomber tiefstfliegen und lebensnotwendiges Wild vertreiben, die Pygmäen in Zaire, wo deutsche Firmen den Lebensraum entholzen, in Guatemala, in Tansania, in West-Papua und überall. Ein stiller, schleichender Völkermord an den Ureinwohnern; oder: an den indigenen Völkern, wie sie sich selbst nennen. Sie werden verfolgt, weil sie anders sind, Minderheiten, traditionell lebend und unangepaßt. Sie sind dem scheinbaren Fortschritt schlicht im Weg. Jetzt versucht amnesty international, das Schicksal der indigenen Völker durch eine bundesweite Kampagne ins Bewußtsein zu rufen. Zusammen mit anderen Menschenrechtsgruppen prangerten sie gestern in Bonn an, wie Menschen vertrieben, verfolgt und massenhaft getötet werden. Als Betroffene sprach beispielhaft Minnie Degawan, eine junge Frau vom Volk der Igorot, die sich heute Philippina nennen muß. Sie berichtete aus ihrer Heimat von „fortdauernden militärischen Operationen im Maragtal der philippinischen Cordillera, wo bereits mehr als hundert Kinder aufgrund der ständigen Bombenangriffe gestorben sind“. Viele seien schon, sagte sie mit Tränen in den Augen, „Hinrichtungen im Schnellverfahren zum Opfer gefallen“. Die Igorot und alle anderen indigenen Völker hätten keine Chance auf Autonomie und Selbstbestimmung, sie würden weiter kolonialisiert und zwangsassimiliert. „Wir haben keine Entwicklungsmöglichkeit und sind vom Aussterben bedroht.“ Und die Welt schaut weg. Minnie Degawan appellierte an Weltbank, IWF, an die Bundesregierung, an die rücksichtslosen deutschen Firmen, deren Waffen und hierzulande längst verbotene Pestizide auch in ihrer Heimat ein prächtiges Experimentierfeld fänden. Als praktisches Beispiel zur Abhilfe regte sie bilaterale Partnerschaften zwischen deutschen Städten und indigenen Gemeinschaften an. Erfolgsaussichten gibt es höchstens sehr langfristig. Eine ai-Sprecherin schätzte, daß es mindestens fünf bis zehn Jahre dauert, bis die Arbeitsgruppe indigene Völker bei der UNO ihre Vorschläge und Resolutionen über diverse Gremien bis vor die UN-Generalversammlung gebracht haben wird.

Es heißt ja schließlich auch Vereinte Nationen und nicht Vereinte Völker. Bernd Müllender

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen