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Leaving Trains & NO FX

Hier noch ganz freundlich: Falling James (ganz rechts) (Foto: J.Finch)

»I got the suicide blues/ It's like masturbation, too/ I think it's something best done alone/ and babe, you're not at home/ If I call for Silvia Plath/ White light like water/ I woke up this morning/ I don't feel a thing at all/ Now the catholics see/ That I'm gonna go to a special hell/ Just because I don't feel so well/ And I wanna turn the lights off«(aus »Suicide Blues«)

Silvia Plath schrieb in den Fünfzigern das Buch »The Belljar«, eine Abhandlung über Depression und Selbstmord, den sie später auch beging. Angeblich soll dieses Buch ständiger Begleiter von Nancy Spungen auf ihrer finalen tour de force gewesen sein. Einen skatologischen Tribut an Silvia Plath nennt Falling James alias James Moreland seinen Song »Suicide Blues«.

Skatologie meint zum einen die Vorliebe für das Benützen von Ausdrücken vorwiegend aus dem Analbereich, zum Beispiel in der Literatur. Zum anderen ist Skatologie der wissenschaftliche Ausdruck für Kotuntersuchungen im medizinischen wie im geologischen Sinne. Im Zusammenhang hierzu ist Koprophagie das Essen von Kot als Triebanomalie bei Schizophrenen und Schwachsinnigen. Skatologie bedeutet auch Studium der Koprolithen; diese sind ein Konkrement aus erhärtetem Kot und Mineralsalzen im unteren Verdauungstrakt. Junk z.B. bindet im Körper die Flüssigkeit und führt in längeren, hohen Dosen zu Koprolithen. Dann wird entweder jeder Gang zum WC zur Qual, oder man hört auf zu essen.

James Moreland, Sänger, Gitarrist und Kopf der Leaving Trains, sagt, daß es niemand in seiner Band länger als ein halbes Jahr mit ihm aushält. Auf Tour sei er ein echtes Arschloch. Er erteilt jedem in der Band Sprechverbot bei Interviews, verbietet ihnen sogar Bekanntschaften mit Frauen. Eric Stringer, langjähriger Bassist, ist wohl deshalb länger dabei, weil er, wie er sagt, »den Weg des geringsten Widerstandes« geht. James sei echt verrückt, sagt er, »jede Diskussion mit ihm ist sinnlos, er stampft dich in Grund und Boden«. James sei im Grunde ein netter Mensch, aber »er hat Angst vor der Brutalität auf den Straßen und hinter geschlossenen Türen in Los Angeles. Und auf den Konzerten.«

Aber nichts ist schlimmer als ein langweiliger Auftritt, sagt James. Auch nicht Angst. Und so sind die Leaving Trains an einem Abend besser, als alles was du vorher gesehen hast, und am nächsten möglicherweise »just bullshit«. Ihre Musik ist rough and wild, straight-forward-R.O.C.K. Denn nichts ist langweiliger als ein langweiliger Song.

Wo andere Bands die ewig gleiche Leier herunterbeten, von wegen einzigartig, in keine Schublade passend, verschwenden die Leaving Trains nicht mal den Gedanken daran, sich auf solche Weise hypen zu lassen. Sie sagen auch nicht, ihre Musik wäre das neue Ding oder sowas. Sophistication in a californian way. Genau die Sorte Mensch, die plötzlich mitten in einem dieser Brettspiele das Brett samt Figuren in die Luft werfen. Und auf den Kopf kriegt's der, der es am wenigsten fassen kann, wo er doch gerade am Gewinnen war.

NO FX, oder besser No Fucks, wie es wohl heißen will, existieren als Band seit 1984 und kommen ebenfalls aus Los Angeles. Ihre Musik ist Core, speed oder hard, ganz wie du willst. Sie kokettieren etwas sehr mit der Punk-Attitüde. »Punks not dead« ist chemische Basisformel, Fotografieren lassen sie sich am Tisch hinter einer ganzen Batterie von Bierflaschen, jeder einzelne versucht den Hangover herauszukehren. Sprüche wie »as big as the A-bomb for Japan« geistern herum. Nehmt auf jeden Fall genug Geld für ihre Merchandising-Ecke mit. Just a hunch.

»Wenn jede Platte 'Fuck‘ auf dem Cover stehen hätte, wäre die Zensur in Amerika nicht möglich«, sagt James Moreland. Vielleicht tun es ein F und ein X auch.

»Walk like a river into the heart of my house/ Walk like a river out over the sea«(Leaving Trains)

Peter K.

Um 21 Uhr im Ecstasy

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