Kippt Graf Lambsdorff die Gerlach-Memoiren?

Berlin. Verfolgt vom Grafen Otto — so fühlt sich der ehemalige Vorsitzende der Blockpartei LDPD, Manfred Gerlach. Beweise habe er nicht, sagte Gerlach gestern der taz, dennoch könne er vermuten, daß der FDP-Bundesvorsitzende Graf Lambsdorff als Drahtzieher hinter dem Ausschlußantrag stecke, den kürzlich acht Freidemokraten gegen Gerlach gestellt hatten und der zur Zeit die Berliner FDP beschäftigt.

Der Ostberliner Blockliberale findet es »merkwürdig«, daß der Ausschlußantrag unter anderem mit dem angekündigten Erscheinen seiner Memoiren begründet worden war. Die Antragsteller hatten zwar nur auf die Gefahr hingewiesen, daß Gerlach sich in seinen Memoiren zu Unrecht als Widerständler gegen das SED-Regime aufspielen könnte. Gerlach selbst vermutet dagegen, man fürchte die politische Sprengkraft seiner Enthüllungen.

In »deutlich kritischen Passagen« will er sich auch mit Lambsdorff auseinandersetzen. Es gehe um die Rolle des FDP-Chefs bei der Zusammenarbeit mit der LDPD in den ersten Monaten nach der Wende. Kooperationsvereinbarungen mit der LDPD habe die Lambsdorff-FDP unterlaufen und es beinahe geschafft, die LDPD »weitgehend zu zerschlagen«.

Einen neuen Anhaltspunkt für seine Theorie erhielt Gerlach dieser Tage. Von der Deutschen Verlags-Anstalt (DVA), bei der die Memoiren erscheinen sollten, sei eine »Absage« gekommen. Der Verlag habe den Vorschlag gemacht, den Vertrag aufzulösen und dies mit der »Länge des Manuskripts« begründet. Es sei nicht ausgeschlossen, daß dahinter der Graf stecke.

Gerlachs Vermutungen seien »natürlich Quatsch«, dementierte gestern DVA-Sprecherin Sabine Ilfrich in Stuttgart. Ob die Memoiren erscheinen könnten, sei abhängig davon, wie die Gespräche mit dem Politiker ausgehen würden.

Der Gerlach-Freund und Spandauer FDP-Vorsitzende Wolfgang Mleczkowski bietet jetzt Schutz vor dem fürstlichen Verfolger. Er lud gestern zu einer Lesung ein, bei der Gerlach am Dienstag aus seinem Manuskript vortragen darf. Dort möge sich jeder selbst ein Bild machen: War es nun der Graf — oder nur der Gärtner? hmt