Polizei zerstritten über 1. Mai

■ Pätzold-Gegner Manfred Kittlaus übernimmt wieder die Einsatzleitung/ Zweifel an seinen Führungsqualitäten/ Pätzold-Reformen werden zurückgenommen/ 3.000 Beamte sollen auf die Straße/ Polizei will mit Demo-Veranstaltern reden

Berlin. Während die autonome Szene in Flugblättern zur »vorrevolutionären 1.-Mai-Demo« aufruft, ist es innerhalb der Polizeiführung zu Auseinandersetzungen über die Einsatzvorbereitung für den randaleträchtigen Tag gekommen. Trotz verbreiteten Zweifeln an seinen Führungsqualitäten habe Landespolizeidirektor Manfred Kittlaus jetzt die Leitung des Einsatzes übernommen, wird in Polizeikreisen kritisiert. Innerhalb der Polizei habe diese Personalentscheidung für Überraschung gesorgt. Noch unter dem ehemaligen Innensenator Erich Pätzold (SPD) habe es als »selbstverständlich« gegolten, daß Landesschutzpolizeidirektor Gottfried Heinze die Einsatzleitung zustehe.

Heinzes Amt war im letzten Jahr eigens für Ereignisse wie die Kreuzberger Randalenächte geschaffen worden. Der ehemalige Leiter der Direktion IV hatte 1990 den 1.-Mai- Einsatz geleitet und war oberster Polizeiführer bei der Räumung der Mainzer Straße im Oktober. Kittlaus dagegen hatte unter dem CDU/FDP- Senat in den Jahren 1987 und 1988 die Verantwortung für die Einsatzleitung während der Kreuzberger Mairandale. Unter seiner Führung geschah auch ein Vorfall, der nach der Mainacht 1988 die Stadt erregte: Drei Polizeiführer in Zivil waren Opfer eines Schlagstockeinsatzes der eigenen Beamten geworden und hatten dabei Prellungen und Blutergüsse erlitten. Zumindest mitverantwortlich sei Kittlaus auch für das Debakel gewesen, das die Polizei am 1. Mai 1989 hinnehmen mußte, heißt es in Polizeikreisen. Damals oblag die Einsatzleitung zwar Polizeidirektor Heinz Ernst, Kittlaus hielt sich jedoch in der Einsatzzentrale auf und habe dort nichts gegen offensichtliche Fehlentscheidungen von Ernst unternommen.

Kittlaus, der seit dem Regierungswechsel als »Verfolgter des Pätzold- Regimes« auftrumpfe, wolle jetzt offensichtlich die Überbleibsel der Pätzold-Ära beseitigen, sagen interne Kritiker. Dazu zähle auch der sogenannte »Einsatzabschnitt Schwerpunkt«, der im letzten Jahr unter Pätzold und Heinze das erste Mal eingesetzt worden war, um an überraschend auftretenden »Brennpunkten« einzugreifen. Weil die Demonstrationsroute in diesem Jahr durch beide Stadthälften führt und zwei Straßenfeste gleichzeitig stattfinden sollen, könnte der »Einsatzabschnitt Schwerpunkt« in diesem Jahr besonders hilfreich sein, wird von Kittlaus-Kritikern argumentiert. Die Entscheidung, den Abschnitt abzuschaffen, sei deshalb unverständlich.

Kittlaus bestätigte gestern, daß auf den Einsatzabschnitt verzichtet werde. Es sei aber »total falsch«, daß es Auseinandersetzungen über die Einsatzleitung und die Rolle des Abschnitts gegeben habe. »Debatten hat es nicht gegeben«, sagte der Polizeiführer. Aus Fehlern der Vergangenheit habe man gelernt. Es sei sein Ziel, jetzt »das Ritual der Gewalt« zu durchbrechen. Man würde deshalb gerne im Vorfeld des 1. Mai mit den Veranstaltern der Demonstration und der Straßenfeste reden, um einen friedlichen Verlauf zu sichern. »Wir warten darauf, daß sie sich melden und die Veranstaltungen anmelden«, sagte Kittlaus zur taz.

Bereits Ende März hat die Polizei — einem der taz vorliegenden Vermerk vom 12. April zufolge — mit »intensivierten Trainingsvorhaben« begonnen. Die »Größenordnung der eingesetzten Kräfte« werde »für die Bewältigung der jetzt bekannten Veranstaltungen ca. 3.000 Beamte betragen«. Im vergangenen Jahr waren 3.795 Beamte im Einsatz, davon 2.000 in Kreuzberg. hmt