Es kriselt in der Ehe zwischen CSU und CDU

■ Streibl trotzt: In Bonn kann auch ohne uns regiert werden!/ CDU reagiert gelassen auf die Vorwürfe

Berlin (taz) — Die CSU droht der Bonner Regierungskoalition mal wieder mit Scheidung. Fühlen sich die Bayern in der Dreier-Beziehung CDU/CSU/FDP, wie sie klagen, zurückgesetzt, oder üben sie sich nach dem katastrophalen Wahlergebnis der Schwesterpartei in Rheinland- Pfalz in dem Versuch, die Verliererpartei auf Abstand zu halten? Am Montag nach der Mainzer Wahlniederlage soll der bayerische Ministerpräsident Max Streibl in einer Sitzung des CSU-Vorstands erklärt haben: „Was wir jetzt sagen müssen: Es geht in Bonn auch ohne uns.“ CDU und FDP verfügten im Bundestag auch alleine noch über eine klare Mehrheit (von 17 Sitzen). Der Rückzugsdrohung folgte dann allerdings die kleine Erpressung. Der Kanzler stehe so geschwächt da „wie vor eineinhalb Jahren“, hieß es. Umso nötiger werde die CDU „uns brauchen“.

Aber beleidigt ist man auch. Wenn sich Helmut Kohl und sein Generalsekretär Volker Rühe weiterhin so „hochmütig“ gegenüber der CSU benehmen würden, dann „müssen wir wirklich aus der Regierung raus“, soll sich Streibl empört haben. Und der CSU-Landesgruppenchef im Bonner Parlament, Wolfgang Bötsch, sekundiert, im Parteivorstand der CSU habe die deutliche Meinung vorgeherrscht, daß man sich „von der FDP nicht immer wieder vorführen lassen“ wolle.

Ständig müsse der kleine Fraktionspartner in der Bonner Koalition darauf drängen, an den Entscheidungsprozessen der Regierung beteiligt zu werden. Einer Agenturmeldung habe er am Mittwoch abend entnehmen müssen, daß der deutsch- polnische Vertrag im Entwurf fertig sei. „Trotz vieler Bemühungen“ habe er bislang noch immer „kein Blatt Papier“ über den Inhalt des Entwurfs erhalten, jammerte Bötsch gestern in einem Rundfunk-Interview.

In der jüngsten Ausgabe des 'Bayernkurier‘ ließ die bayerische Partei durch Chefredakteur Scharnagl klagen, die CSU fühle sich bei vielen Themen „alleingelassen“. Das gelte für den „kämpferischen Einsatz für das ungeborene Leben“, die Asylpolitik, die Innere Sicherheit, die Außenpolitik im Golfkonflikt und die Frage der Pflegefallversicherung.

Im Bundeskanzleramt reagierte man gelassen auf den Aufschrei der Schwesterpartei. Man habe nicht die Absicht, ebenso scharf zu antworten, ließ Kohl verbreiten. Man stimme „alles miteinander ab“. Im Oktober 1987 hatten sich die beiden christlichen Parteien nach einem längeren Schlagabtausch darauf verständigt, Diskussionen über strittige Fragen nicht mehr öffentlich zu führen. bg