: Grüne: Links vor, real zurück
■ Nach drei Versammlungstagen wählte der Parteitag der Grünen einen Vorstand der gemäßigten Linken/ Radikalökologen um Jutta Ditfurth wollen wegen „Rechtsrucks“ die Partei verlassen/ Realos werden sich auf Landespolitik konzentrieren
Neumünster (taz) — Auf dem Parteitag der Grünen in Neumünster hat sich die gemäßigt linke Strömung in der Partei gegen „Realos“ und „Aufbruch“ durchgesetzt. Die seit langem geforderte Strukturreform scheiterte knapp: Besonders für die Aufhebung der Trennung von Parteiamt und Parlamentsmandat war eine Zweidrittelmehrheit auf der Bundesversammlung nicht zu haben. Auch bei der Wahl der neuen Vorsitzenden setzten sich „Realos“ und „Aufbruch“ nicht durch: Die Delegierten wählten die gemäßigten Linken Christine Weiske (Grüne-Ost) und Ludger Volmer. Weiske setzte sich bereits im ersten Wahlgang überraschend mit 344 zu 263 Stimmen gegen Antje Vollmer durch. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete gewann knapp gegen den hessischen „Realisssimo“ Hubert Kleinert. Der linksökologische Flügel um Jutta Ditfurth kündigte am Sonntag seinen Austritt für kommenden Monat an.
„Realos“ und „Aufbruch“ empfanden den Parteitag als herbe Niederlage. Schon am späten Samstag abend hatte sich in der Diskussion um die Trennung von Amt und Mandat die Stimmung stark polarisiert, nachdem der von „Realos“ und „Aufbruch“ vorgeschlagene Kompromiß, wenigstens zwei mandatierte Beisitzer im Vorstand zuzulassen, gescheitert war. „Realos“ und „Aufbruch“ auf der einen, die Linken um Ludger Volmer auf der anderen Seite, warfen sich gegenseitig vor, für das totale Scheitern der Satzungsreform verantwortlich zu sein. Dies überraschte um so mehr, als sich am ersten Tag der Bundesversammlung „Realos“ und das Linke Forum in der Debatte um die inhaltlich-politische Perspektiverklärung zu einem Kompromiß bereit gefunden hatten. Lediglich die in fast allen Ländern abgeschaffte Rotation wurde in Neumünster auch auf Bundesebene ad acta gelegt. Der heftig umstrittene Bundeshauptausschuß, als höchstes Gremium zwischen den Parteitagen, wurde durch den Länderrat ersetzt. Mit ihm erhalten die Landesverbände mehr Einfluß. Der neue Vorsitzende Volmer versuchte die entstandene Polarisierung abzumildern und warb nach seiner Wahl für die Gemeinsamkeit von gemäßigten Linken und dem realpolitischen Lager. Am Ende der Veranstaltung zogen „Realos“ und „Aufbruch“-VertreterInnen trotzig mit einem Spruchband durch die Halle: „Wir kommen wieder“. TAGESTHEMA SEITE 3
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