: Boat people wollen nicht zurück
Rückkehrprogramm für vietnamesische Flüchtlinge gescheitert ■ Aus Genf Andreas Zumach
Wenn Rückkehrprogramme für Flüchtlinge von diesen nicht akzeptiert werden, liegt das vor allem daran, daß die Betroffenen falsch informiert sind. Mit diesem Argument versuchte das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) gestern in Genf das weitgehende Scheitern des „Umfassenden Aktionsplanes“ für die rund 110.000 vietnamesischen Flüchtlinge zu begründen. Die Flüchtlinge leben vor allem in Lagern in der britischen Kronkolonie Hongkong (rund 55.000) sowie in Thailand, Indonesien, Malaysia und auf den Philippinen. Der im Juni 1989 auf einer internationalen Konferenz über das Flüchtlingsproblem in Indochina vom UNHCR und einer Reihe von Staaten (darunter die USA, Hongkong, Großbritannien, Vietnam und die EG-Staaten) vereinbarte Aktionsplan, dessen Unterzeichner in Genf eine Zwischenbilanz zogen, sah die freiwillige Rückkehr der Vietnamesen in ihre Heimat vor. Doch in knapp zwei Jahren gingen ohne Zwang gerade 8.818 Vietnamesen nach Hause. Die monatlichen Rückkehrerzahlen sind von 847 im November 1990 auf 50 im April dieses Jahres gefallen. Gleichzeitig trafen von Januar bis April 1991 doppelt so viele neue Flüchtlinge in Hongkong ein wie in den ersten vier Monaten des Vorjahres. Flüchtlingshochkommissarin Ogata und der Leiter der Südostasien-Abteilung des UNHCR, Anwaar, machten gestern dafür „Falschinformationen“ unter BewohnerInnen der Flüchtlingslager verantwortlich.
Eine sehr wesentliche Ursache für den geringen Rückkehrwillen der Flüchtlinge kam auf der Genfer Tagung nicht zur Sprache: das anhaltende US-Wirtschaftsembargo gegen Vietnam, das die ökonomische Entwicklung des Landes behindert. Die UNHCR-VertreterInnen bemühten sich, den in den letzten Monaten entstandenen Eindruck zu korrigieren, die UNO-Flüchtlingsbehörde beteilige sich im Rahmen des „Aktionsplanes“ an zwangsweisen Repatriierungen. Nur Personen, die nach einer Überprüfung durch die Behörden des ersten Aufnahmelandes nicht als Flüchtlinge anerkannt werden, würden — entsprechend dem „internationalen Recht“ — auch gegen ihren Willen nach Vietnam zurückgebracht, erklärte Anwaar. Dies geschehe durch diese Behörden zwar entsprechend der vom UNHCR aufgestellten Standards, jedoch „ohne jede Beteiligung“ des UNHCR. Er mußte jedoch einräumen, daß die Kontrolle, ob diese Überprüfungsverfahren auch tatsächlich entsprechend der UNHCR- Standards ablaufen, nicht in jedem Einzelfall, sondern nur stichprobenartig erfolgt. Die Zahlen sprechen jedenfalls eine deutliche Sprache: Von den in den letzten zwei Jahren überprüften Vietnamesen wurden 80 Prozent nicht als Flüchtlinge anerkannt.
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