piwik no script img

Grunau hatte immer ein gute Presse

■ Wirtschaftsmedien strickten die Erfolgsstory Grunau während Parlamentarier die Subventionen genehmigten

Das AG Weser-Gelände, sieben Jahre nach der großen Werftenpleite, ist ein Musterbeispiel für gescheiterte Wirtschafts-Förderung: Alle Räder stehen still auf dem wertvollen Industriegelände am Kai, die großen Hallen und Flächen sind zu Spottpreisen den Firmen des Mittelständlers Martin Grunau überlassen, der damit kaum mehr als Pachtgeschäfte zu betreiben vermag. Industriearbeitsplätze hat er nicht geschaffen, aber nach Aussagen seines eigenen früheren Betriebsleiters das gesamte Gelände mit giftiger Strahlschlacke verseucht.

Letzter Teil unserer Serie: Die Wirtschaftspresse hat diesen Erfolg der bremischen Wirtschaftsförderung sieben Jahre lang gefeiert.

„Hier endet der demokratische Sektor“, war in den 50er Jahren eine giftige Anspielung auf die engen Grenzen von Meinungsfreiheit und Mitbestimmung in freien Unternehmen des Westens. Wenn es um die Berichterstattung über die Industrieunternehmen geht, dann kann von Pressefreiheit keine Rede mehr sein. Die Wirtschaftsteile, die sich lokale Tageszeitungen leisten, geben im wesentlichen nur das wieder, was Unternehmer über sich in der Zeitung lesen wollen. Erstens teilen die Presseabteilungen der Unternehmen der Öffentlichkeit kaum etwas mit und zweitens muß niemand so sehr auf die Anzeigenkunden Rücksicht nehmen wie der lokale Wirtschaftsredakteur.

Ein Kaleidoskop der Schlagzeilen aus dem Bremer „Weser- Kurier“ zum Thema AG Weser/ Grunau illustiert dies auf das Köstlichste: „Schon wieder 800 Beschäftigte auf AG Weser-Gelände: Millioneninvestition für neue Zukunft“ (21.9.1988), „SPD-Politiker erfreut über erfolgreiche Wiederbelebung“ (7. Mai 1988). Im Herbst 1988

Bitte die Karikatur

schreibt der Ressortleiter Wirtschaft beim Weser-Kurier, Heinrich, in die Schlagzeile „Grunau brachte Leben auf die AG Weser“ und „Wir platzen aus allen Nähten“ (27.8.1988). Dies war wie Auftragsarbeit getimet: In derselben Zeit verhandelte Grunau hinter den Kulissen um fünf Millionen Mark Wirtschaftsförderung. Als Begleitmusik zu seinen Subventionsanträgen war eine derartige Presse von der Erfolgsstory Grunau durchaus geeignet, Parlamentsvertreter im Wirtschafsförderungs-Ausschuß für dumm zu verkaufen.

Aber nicht nur der Wirtschaftsteil des Weser-Kurier hat die Pressefreiheit bis auf die Knochen blamiert. Die renommierte FAZ, die aus Bremen meist lokale Artikel schlicht umschreibt, brauchte zwei Monate für das Echo: „Neues Leben auf der ehemaligen Werft“ (FAZ 28.10.1988). Das Trommelfeuer der Medien parallel zu den laufen

den Subventionsverhandlungen ist eindrucksvoll. Das Handelsblatt schlagzeilt: „Grunau Industrieservice: Bremens Paradebeispiel“ und analysiert: „Die Verlustzone wurde nach Angaben Grunaus bereits im zweiten Jahr verlassen...“ (9.11.1988)

Und so geht es weiter: „Bremen strahlt — Brüssel zahlt“ steht über dem WK-Artikel (23.3.90) über weitere Subventionen an Grunau. Während die an Grunau zu Spottpreisen abgegebenen Gewerbeflächen weitgehend schon als Lager benutzt werden, beklagt sich der oberste Wirtschaftsförderer auf fünf langen Zeitungsspalten über den „Engpaß“ an Gewerbeflächen (WK 14.6.1990).

Aber auch große überregionale Zeitungen hatten über Grunau nur Gutes zu berichten. Denn während in Bremens Politik Claus Grobecker erst als Arbeitssenator und dann als Finanzsenator die Wiederbelebung des AG Weser- Geländes durch den derben Auf

steiger-Unternehmer Grunau als seinen Erfolg sehen wollte, schrieb Helgard Köhne-Grobecker als freie Journalisten große Berichte in ZEIT (1984) und STERN (1988). „Wir machen aus Rosinen Scheiße“ ist die Schlagzeile, unter der auf der AG Weser der „ideenreiche Unternehmer“ Grunau die Werft zum „Modell für Krisenregionen“ gemacht habe: „Martin Grunaus Firma platzt inzwichen aus allen Nähten.“ Nicht ohne Lob dafür geht auch der „damalige Arbeitssenator Claus Grobecker“ aus (Stern 15/88).

Den Vogel in Sachen Medienfilz schießt die Zeitung der Jungen „Bremer Unternehmer“ ab. Während die Lokalpresse in Fällen, in denen sie Mitteilungen der Pressestellen abschreibt, verschämt den Kollegen mit dem Kürzel „eb“ einführt (soll „eigener Bericht“ heißen), hat in der Unternehmerzeitung der geschäftsführende Gesellschafter aus der Grunau-Gruppe, Günter E. Knochenhauer, unter dem Autoren-Kürzel „GEK“ selbst zur Feder gegriffen, um seine Firma ordentlich ins Licht zu setzen. Schon in der Zeitschrift „Weserlotse“ hatte „GEK“ 1987 Grunau als Idealisten dargestellt und mit den Worten zitiert: „Ich investiere Privatvermögen und ich schaffe mindestens 30 Arbeitsplätze“ . Im „Bremer Unternehmer“ teilt er im Herbst 1990 eine ganz andere Wahrheit mit: Grunau hat das neue Subventionseldorado „DDR“ entdeckt, und hat kaum noch Zeit für die schleppenden Geschäfte in Bremen: „Wenn Unternehmer nicht zu wahnsinnigem persönlichem Einsatz bereit sind, sollten sie das Ganze lieber lassen.“ (Heft 4. 90)

Am 15.12.1990, als die AG Weser-Flächen gähnend leer und Grunau schon mit der Wirtschaftbehörde in Verhandlungen über seinen Rückzug von dem Gelände war, meldet der Weser-Kurier: „Bremer Umschlagsplatz europaweit Spitze“. K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen