: Heidegger
■ Betr.: "Annäherung an das politische Geschehen", taz vom 26.4.91
betr.: „Annäherung an das politische Geschehen“ (Ein neuer Blick auf Heideggers Verstrickungen in den Nationalsozialismus: Dieter Thomäs „Kritik der Textgeschichte Heideggers“),
taz vom 26.4.91
Martin Heidegger hat nicht geschwiegen. Das Schweigen Martin Heideggers, ein alter immer wieder neu aufgelegter Vorwurf, berücksichtigt nicht das 1976 veröffentlichte 'Spiegel‘-Gespräch und andere Äußerungen in Briefen und Vorlesungen.
Eine Kritik der Textgeschichte Heideggers im Schnelldurchlauf ist zudem nicht möglich, schon weil das Gesamtwerk noch nicht vollständig erschienen ist. Es ist völlig verfehlt,Martin Heidegger eine Totalisierung im Hinblick auf die sich entwickelnde Bedeutung des Wortes „Ereignis“ in seinem Werk vorzuwerfen. Das „Ereignis“, im Sinne des „sich ereignenden Augenblick“, steht in einem „offenen Bereich“, der sich an den Aussagen des Zen- Buddhismus anlehnt.
Das Buch Japan und Heidegger, anläßlich des 100. Geburtstag von Martin Heidegger, 1989 von Hartmut Buchner im Auftrag der Geburtsstadt Meßkirch herausgegeben, versammelt Beispiele und Erinnerungen japanischer Schüler und Freunde. Die Auseinandersetzung japanischer Philosophen mit Heidegger ist beispielhaft und seinem Werk angemessen. In der japanischen Tradition ist ein Sich-einlassen auf Mensch, Natur und Sprache verankert. Heideggers Anliegen ist das Sichtbarmachen der Wechselwirkungen zwischen Himmel, Erde, den Sterblichen und den Göttlichen, sein Grundgedanke vom „Geviert“, sichtbar werden zu lassen.
Das Werk Martin Heideggers fordert von uns ein Sich-einlassen auf die Bedeutung seiner Worte. Eine Totalisierung, wie es von Thomä behauptet wird, kann ihm nicht vorgeworfen werden. Anna Sagemüller, M.A.phil., (West-)Berlin
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