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Ost-Zeitungsgefüge gerät ins Rutschen

Berlin (taz) — Die Besitzverhältnisse bei den erst Mitte April von der Treuhandanstalt zugeteilten zehn größten ostdeutschen Regionalzeitungen sind schon wieder ins Rutschen geraten. Der Verwaltungsrat der Berliner Treuhand hatte von den insgesamt 37 Interessenten zwölf zumeist großen Verlagshäusern den Zuschlag erteilt und begonnen, Verkaufsverhandlungen über die früheren SED-Bezirkszeitungen zu führen.

Unmittelbar nach der Entscheidung wollte der Verband der Lokalpresse aus wettbewerbsrechtlichen Gründen Schritte gegen die Treuhand prüfen, wie auch die Verlagsleitung der 'Neuen Westfälischen‘, die sich erfolglos um die Rostocker 'Ostsee-Zeitung‘ beworben hatte.

Nun muß erst einmal über die Zukunft des Neubrandenburger 'Nordkuriers‘ neu verhandelt werden. Am Wochenende erklärte Dirk Ippen, Verleger des 'Münchner Merkur‘, er wolle die Regionalzeitung trotz Zuschlags doch nicht erwerben. Beim 'Nordkurier‘ sei durch den Hamburger Heinrich Bauer Verlag bereits in einem Maße investiert und expandiert worden, das er so nicht fortführen wolle. Zum Beispiel beschäftige die Zeitung inzwischen 660 Mitarbeiter; in der Ausschreibung sei aber nur von 500 die Rede gewesen.

Inzwischen haben der Bauer Verlag und die Belegschaft der Neubrandenburger Zeitung der Treuhandanstalt mitgeteilt, daß sie ihre Kooperation fortsetzen möchten. Die Hamburger sollten nach dem Willen der Treuhand aber die Zusammenarbeit mit dem 'Nordkurier‘ beenden, da sie bereits den Zuschlag für die 'Magdeburger Volksstimme‘ erhalten haben. Möglicherweise wird sich der Treuhand-Verwaltungsrat in seiner heutigen Sitzung mit der Frage beschäftigen. Ein anderer Tagesordnungspunkt dieses Gremiums könnte auch die von der SPD auf den Postweg gebrachte Einstweilige Anordnung gegen die Treuhandentscheidung sein, auch Regionalzeitungen zu veräußern, auf die die SPD Anspruch erhoben hat. Die erste Einstweiligen Anordnung soll verhindern, daß weiter Verkaufsverhandlungen über die 'Magdeburger Volksstimme‘ und die 'Leipziger Volkszeitung‘ geführt werden. Auch in fünf weiteren Fällen will die SPD noch rechtliche Schritte einleiten.

„Ohne die SPD läuft bei der Privatisierung der ostdeutschen Regionalpresse nichts“, erklärte SPD-Schatzmeister Hans-Ulrich Klose in einem Zeitungsgespräch. Grundlage des Eigentumsanspruchs sei die Tatsache, daß wenigstens sieben der zehn verkauften Regionalblätter bis 1933 im Besitz der SPD und dann von den Nazis enteignet worden waren. Im Sinne des Gesetzes über die Parteivermögen dürfe die Treuhandanstalt dieses Eigentum nicht verkaufen. Die Berliner Anstalt selbst bezweifelt zum einen, daß die SPD ihren Anspruch zweifelsfrei nachweisen kann, will aber auf jeden Fall das novellierte Vermögensgesetz anwenden. Danach haben Kaufinteressenten, die Investitionen planen und Arbeitsplätze sichern, vor der Rückgabe an ehemalige Besitzer Vorrang.

Noch ist nicht klar, ob die SPD Ansprüche anmeldet, weil sie entschädigt werden möchte, oder ob sie auch Kapitalanteile bei den neuen Besitzern übernehmen will. Für die CDU steckt nach Ansicht des haushaltspolitischen Sprechers der Bundestagsfraktion, Jochen Borchert, vor allem dahinter, daß die Sozialdemokraten attraktive stille Beteiligungen zu erwerben trachten, ohne dafür zu bezahlen. Mit ihrem Anspruch sorgten sie für Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt. Barbara Geier

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