: Volkspalast »bloß nicht blind abreißen«
■ Landeskonservator spricht sich gegen Hassemers Wunsch nach Abriß des Palazzo Prozzo aus/ Pieroth will Schloß
Mitte. Über die Zukunft des Marx- Engels-Platzes, den Berlins Landeskonservator Prof. Helmut Engel als »hoheitlich aufgeladene Stadtmitte« charakterisiert, sind sich nun auch CDU-Senatoren uneins. Der Senator für Stadtentwicklung Volker Hassemer sieht dort nämlich vor seinem geistigen Auge schon das Bundeskanzleramt entstehen — just auf jenem Platz, wo früher das kurfürstliche und dann kaiserliche Schloß stand und jetzt der Palast der Republik vor sich hin asbestet. Denn dort, befand Hassemer jetzt, sei »die Spitze der Regierung am besten angesiedelt«. Finanzsenator Elmar Pieroth hingegen bevorzugt trotz mutmaßlicher Milliardenkosten schon seit längerem die Rekonstruktion des Schlosses. Das Gleiche führt auch der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Jochen Feilcke im Sinne, der sich im Gespräch mit der taz gegen die Hassemersche Variante wandte: »Die Option für das Schloß darf im doppelten Sinne nicht verbaut werden.« Der Kanzler könne doch auch in das Kronprinzenpalais einziehen. Jener Palast ist, wie Helmut Kohl am 13.März in Berlin en passant erwähnte, bereits »dem Bundeskanzleramt zugeordnet«. Einig sind sich die Christdemokraten nur beim gewünschten Abriß des asbestverseuchten Palazzo Prozzo, der als Symbol des verhaßten SED-Regimes weichen muß.
Vor falschen Verherrlichungen warnte hingegen Landeskonservator Prof. Helmut Engel: »Das Schloß ist ein Thema der Gemütspflege, nicht der Denkmalpflege«, sagte er zur taz. Bei einem Original solchen Ranges könne es »keine Rekonstruktion« geben. Eine Nachbildung laufe Gefahr, zu einer »riesigen Karikatur« des Baumeisters Andreas Schlüter zu werden, über die »alle Welt« lachen würde. Wenn die Sprengung des Stadtschlosses durch die SED als »schmerzliche Wunde« empfunden werde, dann sei das eine Lehre für alle, wenigstens in Zukunft mit Bausubstanzen ernsthaft umzugehen.
Auch den Palast der Republik dürfe man »um Gottes willen nicht blind abreißen«, schrieb Engel seinem Chef, dem Senator Hassemer, ins Stammbuch. Er müsse innerhalb der gesamten »Ideologie des Gebietes« gesehen werden — zum Beispiel dem realsozialistischen Aufmarschraum auf dem Marx-Engels-Platz und dem Einbau des vierten Schloßportals in das Staatsratsgebäude. »In dieser hoheitlich aufgeladenen Stadtmitte kann man nicht in Siegerlaune einfach rumwurschteln, sondern muß sorgfältig jeden Schritt überlegen«, so Engels.
Und die dortige Unterbringung des Bundestags? Selbiges schlug nämlich Dorothee Dubrau, Baustadträtin in Mitte, im 'Volksblatt‘ vor: »Ich kann mir den Palast als Bürogebäude vorstellen, aber auch fürs Parlament.« Ute Scheub
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