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Steuergeschenke für Reiche fallen kleiner aus

■ Waigel will die Vermögensteuer nicht mehr abschaffen

Bonn (dpa/taz) — Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) hat gestern ein dreistufiges Steuer-Gesetzespaket der Bundesregierung angekündigt. Nach der Beseitigung der Gewerbekapitalsteuer und der vorübergehenden Aussetzung der Vermögensteuer in Ostdeutschland sollen als erste Stufe 1992 der Kinderfreibetrag von derzeit 3.024 Mark im Jahr auf „gut 4.000 Mark“ (Waigel) und das Erstkindergeld auf 70 Mark angehoben werden. Auf diese Steuerentlastung hat im vergangenen Jahr das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil gedrängt. Danach darf das Existenzminimum von Familien (in Höhe des Sozialhilfesatzes) nicht besteuert werden, das nach Expertenrechnungen allerdings bei einem Freibetrag von rund 6.000 Mark liegt.

Im zweiten Schritt will die Bundesregierung zum 1. Januar 1993 auch in Westdeutschland die Gewerbekapitalsteuer abschaffen und bundesweit die betriebliche und die private Vermögensteuer senken. Entgegen früheren Versprechungen soll die private Vermögensteuer jetzt nicht mehr abgeschafft werden, sondern allenfalls die Freibeträge erhöht werden. Das kostet den Bundeshaushalt dann immer noch die Hälfte des bisherigen Vermögensteueraufkommens von jährlich 1,5 Milliarden Mark, also 750 Millionen.

Wegen der „unbestrittenen, staatlichen Aufgaben“, besonders für den Umbruch im Osten, „gibt es jedoch in den kommenden Jahren kaum eine Chance zur weiteren Rückführung des Staatsanteils und der Steuerquote“, sagte Waigel. Die dritte Steuerstufe, deren Beginn der Minister noch nicht terminlich festlegte, soll die „ertragsabhängigen“ Steuern — dazu gehören die Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbeertragsteuern — reformieren. Niemand könne zur Zeit die Haushaltssituation 1994, am Ende der Wahlperiode, vorausschätzen.

Während der Berliner Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) die vollständige Abschaffung der betrieblichen Vermögensteuer verlangte, kritisierte die SPD Entlastungen „für wenige Spitzenverdiener und Vermögensmillionäre“. Gleichzeitig bitte die Bundesregierung die Mehrheit der Bürger zur Kasse, sagte Finanzexperte Joachim Poß und kündigte Widerstand gegen den Steuerverzicht von insgesamt sechs Milliarden Mark an. dri

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