Marschall Shukow erinnert sich...

Der legendäre Heerführer der Roten Armee, der an entscheidenden Fronten operativ mitwirkte, schreibt in seinen Memoiren Erinnerungen und Gedanken zur bedingungslosen Kapitulation Hitlerdeutschlands unter anderem: »Gegen Mittag landeten auf dem Flugplatz Tempelhof die Vertreter des Alliierten Oberkommands: der britische Luftmarschall W. Tedder, der Befehlshaber der amerikanischen Fernfliegerkräfte General Spaatz und der Oberbefehlshaber der französischen Armee General de Lattre de Tassigny...

Vom Flugplatz aus begaben sich unsere Verbündeten nach Karlshorst, wo die bedingungslose Kapitulation des OKW (Oberkommandos der Wehrmacht, Anm. der Red.) entgegengenommen werden sollte... Kaum hatten wir den für die Besprechung bestimmten Raum betreten, da strömten auch schon unzählige amerikanische und britische Journalisten herein und überschütteten mich sofort mit Fragen. Im Namen der alliierten Truppen schenkten sie mir eine Fahne zum Zeichen der Freundschaft, in ihr war in Gold ein Gruß der amerikanischen Truppen an die Rote Armee eingestickt...

Wie zuvor vereinbart, versammelten sich die Vertreter des Alliierten Oberkommandos, Tedder, Spaatz und de Lattre de Tassigny, ferner Wyschinski, Telegin, Sokolowksi und andere um 23.45 Uhr in meinem Arbeitszimmer, das an den Saal stieß, wo die faschistischen Militärs die Urkunde über die bedingungslose Kapitulation unterzeichnen sollten. Punkt 24 Uhr betraten wir den Saal.

Alle nahmen an einem Tisch Platz, hinter dem an der Wand die Staatsflaggen der Sowjetunion, der USA, Großbritanniens und Frankreichs hingen...

Bei der Eröffnung der Sitzung erklärte ich: ‘Wir Vertreter des Oberkommandos der sowjetischen Streitkräfte und des Alliierten Oberkommandos sind von der Regierungen der Antihitlerkoalition bevollmächtigt, die bedingungslose Kapitulation Deutschlands von den deutschen militärischen Führung entgegenzunehmen. Führen Sie die Vertreter des Oberkommandos der Wehrmacht in den Saal.‚ Aller Blicke waren auf die Tür gerichtet, auf deren Schwelle im nächsten Augenblick diejenigen erscheinen sollten, die in die ganze Welt prahlerisch hinausposaunt hatten, Frankreich und Großbritannien in einem Blitzkrieg besiegen und die Sowjetunion in anderthalb, höchsten zwei Monaten vernichten zu können.

Als erster betrat Keitel den Raum. Er grüßte die Vertreter des sowjetischen und Alliierten Oberkommandos, indem er die Hand mit dem Marschallstab hob. Ihm folgte Stumpff. Seine Blicke verrieten ohnmächtige Wut. Gleichzeitig mit ihm betrat Friedeburg den Raum. Er schien vorzeitig gealtert.

Die deutschen Vertreter wurden aufgefordert, an dem für sie bestimmten Tisch Platz zu nehmen, der unweit der Tür stand. Keitel setzte sich bedächtig und blickte zu uns herüber, die wir am Präsidiumstisch saßen. Stumpff und Friedeburg setzten sich neben Keitel...

Das war nicht mehr der überhebliche Keitel, der die Kapitulation des besiegten Frankreichs entgegengenommen hatte. Jetzt sah er geschlagen aus, obwohl er sich Mühe gab, Haltung zu bewahren. Ich stand auf und sagte: ‘Ich fordere die deutsche Abordnung auf, an diesen Tisch zu kommen. Hier werden Sie die Urkunde über die bedingungslose Kapitulation Deutschlands unterzeichnen.‚

Mit einem feindseligen Blick auf das Präsidium erhob sich Keitel rasch von seinem Platz, dann senkte er die Augen, nahm langsam seinen Marschallstab vom Tisch und kam mit unsicheren Schritten auf unseren Tisch zu. Sein Monokel fiel herunter und baumelte an der Schnur, das Gesicht bedeckte sich mit roten Flecken.

Mit ihm traten Stumpff, Friedeburg und die deutschen Offiziere der Begleitung an den Tisch. Keitel rückte sein Monokel zurecht, setzte sich auf den Rand eines Stuhls und unterschrieb umständlich alle fünf Exemplare der Urkunde. Nach Keitel setzten Stumpff und Friedeburg ihre Unterschriften darunter.

Nach der Unterzeichnung stand Keitel auf, streifte den rechten Handschuh über und suchte wieder einen strammen Militär zu markieren. Das mißlang ihm jedoch, und still ging er an den für ihn bestimmten Tisch zurück.

Am 9. Mai um 0.43 Uhr war die Urkunde über die bedingungslose Kapitulation von allen unterzeichnet. Ich forderte die deutsche Abordnung auf, den Saal zu verlassen.« Aus der Museumsbroschüre