: Radio 100: Kritik am Kabelrat
■ Frequenz 103,4 an Gruppe um den französischen Kommerzfunk-Konzern NRJ vergeben/ Elefantenpress ging leer aus/ SPD, Bündnis 90/Grüne und PDS kritisieren »Mehr an Dudelfunk«
Potsdamer Straße. Im Mediencafé »Strada«, zwei Etagen unter dem Sitz von Radio 100, floß schon am Montag abend reichlich Schaumwein, als die JournalistInnen und Manager der Radio 2000 GmbH freudig die Neuvergabe der Lizenz 103,4 MHz durch den Kabelrat begingen. Im größten Teil des linksalternativen Lagers allerdings wurden die Gesichter von Stunde zu Stunde länger. Beim MitarbeiterInnen-Verein, den Lesben und Schwulen von Eldoradio sowie bei den mehr als 100 im »Förderverein Interkulturelle Medienarbeit« (FIM) zusammengeschlossenen Gruppen aus Ost und West machte sich Trauer breit. »Das ist wegen des vielen Geldes«, meinte Exredakteurin Claudia Daseking von »Radio 100 im Exil«. Der Kabelrat ignoriere damit das alternative Spektrum, meinte Jürgen Moritz vom MitarbeiterInnen-Verein: »Medienpolitisch bedeutet dies eine weitere Verflachung.«
Auch die medienpolitischen SprecherInnen der Fraktionen von Bündnis 90/Grüne, PDS und SPD kritisierten die Kabelratsentscheidung. »Ein rein quantitatives Mehr an Dudelfunk im Berliner Äther«, sagte Anette Detering vom Bündnis. Dem Kabelrat sei es »nicht auf publizistische Vielfalt, sondern ausschließlich auf Kommerzialität« angekommen. Die PDS war »verblüfft, daß der Kabelrat sein alternatives Feigenblatt über Bord geworfen hat«. Joachim Günther von der SPD kritisierte, »daß sich nun beim Privatfunk alles um die Mitte, um den Mainstream sammelt«. Der Kabelrat solle »bei seinen Entscheidungen lieber in die Breite gehen«, zumal so die Chancen für Ostanbieter wie DT 64 und den Berliner Rundfunk weiter geschmälert würden.
Die durch den Konkurs von Radio 100 im März freigewordene Frequenz 103,4 hat nun Radio 2000, eine Gruppierung um den französischen Kommerzradiokonzern Nouvelle Radio Jeunesse (NRJ), die Neue Radio 100 GmbH um die Kreuzberger Mediengruppe Schmidt und Partner (MSP) ging leer aus. Für die Vergabe an Radio 2000, so der Kabelrat gestern, habe »die deutlichere Hinwendung zu journalistischer Professionalität« stattgefunden, die eine größere Chance böte, »mit einem auch Minderheiten berücksichtigenden Programm breitere Hörerkreise zu erreichen«. Wie es weiter hieß, hätte ein Ja für die Neue Radio 100 GmbH eine erneute Vertagung des Kabelrats bedeutet. Deren Konzept sei aus wirtschaftlichen und konzeptionellen Gründen »nicht entscheidungsreif und widersprüchlich«. Man habe sich aber nicht vertagen wollen, um »viele personelle und sächliche Ressourcen« des alten Senders zu erhalten«.
Wirtschaftlicher Hintergrund der Entscheidung dürften der hohe Kapitalaufwand von NRJ sein sowie Irritationen um den erst kürzlich erfolgten Einstieg der von MSP aufgekauften Zeitung 'Junge Welt‘ als Geldgeber in die Neue Radio 100 GmbH. Da der Deal von der Treuhand noch nicht völlig abgesegnet ist, gab es Schwierigkeiten bei der Beleihung eines Grundstückes. Erik Weihönig, Geschäftsführer bei MSP, dementierte gestern, daß die Bewerbung deshalb gescheitert sei. »Wenn der Kabelrat gewollt hätte, dann hätte er uns eine Frist von einem Monat gesetzt und dann entschieden.« kotte
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