Haushalt: Senat will Bonn vor Gericht zerren

■ Erste Gesamtberliner Haushalt liegt vor/ Berlin erwägt Klage vor Verfassungsgericht, wenn Bonn weiter die Bundeshilfe verweigert

Berlin. Der Senat will die Bundesregierung vor das Verfassungsgericht zerren, wenn Bonn weiter die von Berlin geforderte Bundeshilfe verweigert. Man werde »bis hin zur Verfassungsklage« alle Möglichkeiten ausschöpfen, kündigte Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) gestern an. In dem von Pieroth vorgelegten und vom Senat gestern beschlossenen Entwurf für einen Nachtragshaushalt fehlen auf der Einnahmenseite, wie berichtet, nach wie vor 2,3 Milliarden Mark. Nach Auffassung des Senats hat Berlin einen Rechtsanspruch, daß Bonn diese Summe trägt.

Mit dem Nachtragshaushalt (siehe Kasten) liege der erste Gesamtberliner Haushaltsplan seit 42 Jahren vor, sagte Pieroth. Nach Beratungen im Parlament soll er von den Abgeordneten am 27. Juni beschlossen werden. »Über die Hälfte« der Haushaltssumme, so der Finanzsenator, komme auch in diesem Jahr aus Bonn. Das Westberliner Steueraufkommen werde in diesem Jahr höher ausfallen als veranschlagt. In den Finanzämtern »fließt das ganz lustig«, freute sich der Senator.

In den nächsten Jahren seien trotzdem drastische Sparmaßnahmen nötig, um den Abbau der Bundeshilfe aufzufangen. Das jetzt verankerte Stellenvolumen sei das »nicht mehr steigerbare Maximum«, betonte Innensenator Dieter Heckelmann (CDU). Ab 1992 oder 1993 sei ein Abbau von Stellen erforderlich. Ziel sei eine Austattung wie in anderen Stadtstaaten, die in Berlin deutlich überschritten werde. Eine Ausnahme müsse jedoch bei der Polizei gemacht werden. Hier sei die »Überaustattung nicht antastbar«.

Nach Pieroths Worten müssen auch andere Ausgaben dort »zurückgeschraubt« werden, wo gegenüber Westdeutschland »Privilegien« bestünden. Die Stadt müsse ihre Einnahmen durch »mehr Steuerzahler« erhöhen, nicht durch Steuererhöhungen. Gebühren und Entgelte städtischer Einrichtungen müßten »sehr differenziert« angehoben werden. Keine Aussage zu der zwischen SPD und CDU umstrittenen Frage von Steuererhöhungen findet sich in den »Leitlinien der Finanzpolitik«, die in der gestrigen Senatssitzung auf Wunsch der SPD mitbeschlossen wurden. »Alle« öffentlichen Aufgaben sollten überprüft werden, heißt es dort. Belastungen müßten »sozial ausgewogen« auf alle Bürger und die Wirtschaft verteilt werden.

Längere Debatten gab es über die Etats von zwei SPD-Senatoren. Neben Familiensenator Thomas Krüger hatte auch Bausenator Wolfgang Nagel offene Wünsche. Während Krüger lediglich das Versprechen erhielt, in seinem Ressort werde mit Mitteln aus anderen Senatsverwaltungen ausgeholfen, holte Nagel noch in der Sitzung fünf Millionen Mark zusätzlich für die Wohnumfeldverbesserung im Ostteil der Stadt heraus. Der Finanzsenator wollte dafür ursprünglich nichts bewilligen. Nagel hatte einen Zusatzbedarf von 17 Millionen angemeldet.

Kritik meldeten gestern die Oppositionsfraktionen an. Die FDP vermißte die von Pieroth versprochenen konkreten Leitlinien zur künftigen Finanzpolitik, Bündnis 90/Grüne sprachen von einer »lustlosen Verwaltung des Mangels«. Als »sozial unverträglich« kritisierte die PDS den Haushaltsplan. hmt