piwik no script img

IGBE-Chef schweigt zur Kernenergie

■ Erster gesamtdeutscher Bergarbeiterkongreß in Dortmund/ Erwartete Diskussion um Kernenergie am ersten Tag auf Sparflamme/ Blüm plädiert für einen Energiemix mit Kernkraft

Dortmund (taz) — Am Dienstag nachmittag begann der erste gesamtdeutsche Gewerkschaftskongreß der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE), die 576.000 Mitglieder zählt, in Dortmund. Schon im Vorfeld des Kongresses hatte der IGBE-Chef Hans Berger mit seiner Forderung nach einem neuen Energiekonsens unter Einbeziehung der Kernenergie für Schlagzeilen gesorgt. In seiner Eröffnungsrede vor den 400 Delegierten, davon 150 aus den neuen Ländern, ging der IGBE- Vorsitzende, der in Interviews die Zustimmung seiner Gewerkschaft zu AKW-Neubauten signalisiert hatte, auf die durch ihn auch innerhalb der SPD neu ausgelöste Kontroverse um die Kernenergie mit keinem Wort ein. Für die zukünftige Energiepolitik forderte Berger, der sich mit Blick auf Bundeswirtschaftsminister Möllemann gegen die „undifferenzierte Subventionsdiskussion“ wandte, eine „tragfähige Lösung, die im Interesse aller liegt“. Wie die aussehen könnte, sagte Berger nicht.

Möllemanns Vorstöße zur Beschneidung des Steinkohlebergbaus standen auch im Zentrum der Kritik der Demonstranten, die direkt vor dem Eingang der Konkreßhalle gegen die weitere Schließung von Zechen protestierten. Der Bonner Wirtschaftsminister wurde auf Transparenten als Totengräber des Bergbaus bezeichnet.

Wo der IGBE-Chef Berger schwieg, redete Bundesarbeitsminister Blüm in seinem Grußwort Klartext. Gefordert ist nach Blüm ein „ausgewogener Energiemix“, einschließlich der Kernenergie. Wie alle Atomlobbyisten pries Blüm erneut die „preiswerte Kernenergie“, die den „Einsatz der teuren Kohle im Energiemix ermöglicht. Wir stehen zu diesem Mix.“

Der neue DGB-Vorsitzende Heinz-Werner Meyer, ehemals selbst Vorsitzender der IGBE, erinnerte die Kongreßteilnehmer an die Beschlußlage des DGB. Daß „ausgerechnet jetzt über den Zubau von Kernkraftwerken in den neuen Bundesländern gesprochen wird, wo wir doch dort mit der Entwicklung eines neuen und in die Zukunft weisenden Energiekonzeptes eine Chance haben könnten, das muß mehr als nur verwundern“, sagte Meyer. An dem vom DGB formulierten Ziel — „Verzicht auf die Kernenergie“ — sollten die Gewerkschaften „trotz all den daraus resultierenden Schwierigkeiten festhalten“, forderte Meyer in seiner Rede.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau bezeichnete den Bericht der sogenannten Mikat-Kommission als „ein Element“ des geforderten Konsenses in der Energiepolitik. Daß die Mikat-Kommission explizit auf ein Nebeneinander von Kernenergie und Kohle aufbaut, hält Rau mit der sozialdemokratischen Forderung nach Ausstieg aus der Kernenergie für vereinbar. Für Rau bleibt die Kernenergie eine „Übergangsenergie“. Der Streit gehe lediglich darum, daß die SPD den Ausstieg in zehn Jahren wolle, während etwa der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) einen Zeitraum von 30 Jahren für realistisch halte.

Die Zehnjahresfrist, so Rau wörtlich, „halte ich inzwischen für unwahrscheinlich“. Bei „dem Streit, wie lange das dann dauert, sollten wir uns nicht länger aufhalten, sondern lieber überlegen, wann wir anfangen“. Die Rede von Oskar Lafontaine begann erst nach Redaktionsschluß.

Der fünftägige Kongreß wird über 400 Anträge beraten und am dritten Kongreßtag den Hauptvorstand der IGBE neu wählen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen