: “Wir fahren nach Berlin“
■ Werder-Fans im Pokal-Rausch: Der schnelle Willi macht die schnelle Kohle
Keine zwei Minuten stand Werder Bremen im Pokalfinale gegen Köln, keine zwei Minuten hatten die Werder-Fans Zeit, sich ungehemmt dem Taumel über den 6:3-Sieg hinzugeben — da griff Werder-Manager Willi Lemke schon wieder nach ihrer Tasche: Über seinen Stadionsprecher Christian Günther ließ er nach dem Abpfiff verkünden, daß für das Pokalendspiel in Berlin bereits 15.000 Karten vorbestellt seien.
Die Fans hatten verstanden: Tausende kamen gestern an die Vorverkaufskassen am Osterdeich gepilgert und buchten ihren Berliner Endspiel-Urlaub für den 22. Juni.
Um 12.00 Uhr öffneten die Kassenhäuschen, um halb neun waren die ersten Schlangesteher zur Stelle, um ihre 22, 44 oder 66 Mark an den notleidenden Vereinsmanager abzugeben. So teuer sind nämlich die Karten für die Partie im Olympia-Stadion, inklusive zehn Prozent Vorverkaufsgebühren, die sich Werder ohne Abfuhr an den lästigen DFB alleine in die Tasche stecken kann.
Viele kamen deutlich angeschlagen an die Kassen am Osterdeich, irgendwo schlingernd zwischen der vergangenen Siegesfeier und dem bevorstehenden Vatertag. „Wir fahren nach Berlin, wir fahren nach Berlin“, skandierten die Fans und ließen keinen Zweifel aufkommen, daß sie es ernst meinten: Mit Bahn, Bussen und Autos werden sie den dritten Anlauf Werder Bremens zum Deutschen Pokalsieg verfolgen und danach Berlin unsicher machen.
Bis zu 120 Meter lang waren die Schlangen, die sich vor den Häuschen gebildet hatten. Wer nicht mehr genug Stehvermögen hatte, setzte sich kurzerhand auf einen mitgebrachten Klappstuhl, die Beine entspannt auf dem Sechserträger hochgelagert: Ein Hauch von Endspiel und Alkohol.
Maximal vier Karten konnte einer alleine ergattern. Das war jeweils eine Karte weniger, als eine Hand Finger hat. Und es war gut, daß es solche kleinen Rechenhilfen gab. Vielen feiernden Fans bereitete die warme Frühlingssonne gestern deutliche Konzentrationsschwierigkeiten. Wenn Werder in Berlin in einen ähnlichen Fußball-Rausch fällt, wie die Fans ihn gestern verspürt haben, dann müssen sich die Kölner warm anziehen. mad
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