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Gewaltspirale am Herrentag hochgedreht

■ In mehreren Städten Brandenburgs kam es am Himmelfahrtstag zu Angriffen rechter Schläger/ Sowjetischer Tourist niedergestochen

Potsdam/Berlin (ap/taz) — Die Serie rechtsradikaler Gewalttaten in den FNL reißt nicht ab. Wie die Polizei gestern mitteilte, kam es allein in Brandenburg am Himmelfahrtstag in mehreren Städten zu Zusammenstößen mit rechten Schlägern, bei denen mehrere Beamte zum Teil schwer verletzt wurden. Ziel der Angriffe war auch eine Kaserne der sowjetischen Truppen. Im Ostberliner Bezirk Hohenschönhausen wurde ein sowjetischer Tourist in der Straßenbahn niedergestochen und lebensgefährlich verwundet. Nach Angaben der Berliner Polizei wurden zwei 30 und 31 Jahre alte Besucher aus der Sowjetunion am Donnerstag abend von etwa 15 Tätern angegriffen und mit „Ausländer raus“-Rufen bedroht. Als sie aus der Straßenbahn steigen wollten, wurde der Ältere von einem Messerstich in den Rücken getroffen. Sein Begleiter hielt ein Auto an und brachte den Schwerverletzten ins Krankenhaus. Polizeischutz erhielt eine sowjetische Kaserne in Zeesen bei Königs Wusterhausen. Wie Polizeisprecherin Bärbel Sonnenberg in Potsdam berichtete, bedrohten rund 40 Skinheads dort wohnende Soldaten und ihre Angehörigen. Durch Gespräche zwischen Beamten und Rowdys wurden Auseinandersetzungen vermieden. Die Polizei habe vor der Militäreinrichtung Posten aufgestellt.

Auf einer Herrentagsfeier in einer Gartenanlage in Strausberg östlich von Berlin provozierten Rechtsradikale den Angaben zufolge mehrere gewalttätige Auseinandersetzungen mit den 500 bis 800 Gästen. Die Polizei, die aus den Nachbarkreisen Verstärkung herbeiholen mußte, berichtete von Körperverletzungen, Sachbeschädigungen und Diebstählen. Sechs Beamte wurden leicht, einer durch einen Flaschenwurf ins Gesicht schwer verletzt. Sechs Funkwagen wurden beschädigt. Fünf Randalierer wurden festgenommen.

Wie die Sprecherin weiter mitteilte, mißhandelten etwa 30 vorwiegend Rechtsradikale den Leiter eines Hochhauscafés in Potsdam. Dieser hatte versucht, seine Gäste zu beschützen, die von den Schlägern tätlich angegriffen wurden. Anschließend randalierten die Rowdys bis zum Eingreifen der Polizei in der Potsdamer Innenstadt, wobei die Fensterscheibe einer Gaststätte eingeschlagen wurde. Zwei Personen wurden festgenommen.

Die Zahl der Rechtsradikalen in der Ex-DDR ist nach Angaben des Leiters der Staatsschutzabteilung im Gemeinsamen Landeskriminalamt, Bernd Wagner, seit der Wende mit etwa 1.500 Registrierten und rund 15.000 Sympathisanten annähernd gleich geblieben. Allerdings habe sich die „Gewaltspirale in den Köpfen dieser Deutschen in der letzten Zeit hochgedreht“, sagte er. Sie gingen verstärkt mit Schreckschuß- und Gaspistolen, Reizsprays, Eisenstangen und Baseballschlägern vor. Selbst Distanzraketen würden „voll auf Menschen gerichtet“. Seit Mitte vergangenen Jahres registrierten die Experten eine „verstärkte Hinwendung zu Ausländern“.

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