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Selbst der Trabi hat hier Zaumzeug

■ In einem Dörfchen bei Bernau begann gestern die »Börnicker Pferdetage« mit Dressur- und Springreiten/ Das dortige Gestüt hat die Umstellung auf Marktwirtschaft vorerst geschafft

Bernau. Für ein ehrliches und anständiges Touristik-Pferd, wie es viele Landwirtschaftsbetriebe in der ehemaligen DDR ihr eigen nannten, waren die jüngsten Zeiten nicht die ruhigsten. Die meisten LPGs mußten ihre Pferde verkaufen, und dabei wurde so manche Oststute zum Westgaul. Doch in der 800-Seelen- Gemeinde Börnicke bei Bernau hat das Gestüt alle seine Pferde zusammenhalten können. Seit gestern können dort Besucher den »Börnicker Pferdetagen« zuschauen, wo Jochen Niehues, Gabriela Selke-John und andere bekannte Dressur- und Springreiter ihr Können zeigen.

Das Gestüt, das zur Groß-LPG Altlandsberg gehörte, hat seit Jahrzehnten einen guten Ruf. Es war bereits zu DDR-Zeiten Austragungsort von Turnieren. Die bestehende Reitschule und Pferdezucht schloß sich nun als »Reitverein Helenenau« dem neu gegründeten Reit- und Fahrverein Berlin-Brandenburg an. In Börnicke hatte man sogar das seltene Glück, von den regen Bautätigkeiten des einstigen Stasi wenigstens nachträglich noch profitieren zu können. Das von der Stasi in nahegelegenen Helenenau ausgebaute Schulungs- und Erholungsheim nahm die Gemeinde Börnicke kurzerhand in ihren Besitz, die Pferde quartierte sie in die zahlreich vorhandenen Garagen ein. Eine Gaststätte und Unterkünfte waren ebenfalls vorhanden, und eine Reithalle ist bereits in Bau.

Daß sich hier viele Pferdenarren aus der Umgebung versammeln, sieht man schon am Pferdezaumzeug am Rückspiegel eines Trabis aus Bernau oder an dem Hufeisen am Heckteil eines Opels aus West-Berlin. Eine Stunde Reiten kostet für Erwachsene 14 und für Kinder 11 DM. Boxen konnte der »Verein Helenenau« vorerst nur an zahlungskräftige Westberliner vermieten, doch die Vereinsmitglieder hoffen auf bessere Zeiten.

In Atem gehalten wurden sie in den letzten Wochen ohnehin durch die Vorbereitung des diesjährigen Reitturnieres. Dieses Jahre geht es um nicht mehr und nicht weniger als um die Vorauswahl zum Bundeschampionat. Am Wochenende werden die Bundestrainer in Börnicke sein, um die Nationalmannschaft für die nächsten Internationalen Wettkämpfe zusammenzustellen.

»Gott sei Dank hatten viele Sponsoren ein offenes Ohr für uns, sonst wären wir aufgeschmissen gewesen«, bekennt Vereinschef Große. Die zwei größten Beiträge kamen von lokalen Größen wie dem Mischfutterwerk Biesental und dem Bernauer Autohaus Zemke. »Eigentlich hat sich sonst nichts weiter verändert«, meint Große weiter, »nur die Bierzelte und Freßbuden sind größer geworden. Die zu besorgen war früher immer mein größtes Problem«.

Gestern waren es vorerst nur die freiwilligen Helfer, die eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung die Bierzelte frequentierten. Doch das Gras leuchtete unverschämt grün und wie auf Bestellung in der strahlenden Sonne. Für das Wochenende erwartet man trotz der etwas spärlichen Plakatwerbung und mangelhaften Ausschilderung an die 4.000 Besucher pro Tag. Der Eintritt kostet fünf, ermäßigt eine Mark, und Sonne ist für das Wochenende schon gebucht. Markstein

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