piwik no script img

Die spinnen, die Bremer!

■ OFF/ON zum letzten: Eine Publikumsbeschimpfung

Die Engel sind weg! Die lieben Jesulein auch! Bloß die Monsterfigürchen sind noch da. Merkwürdig. Mittwochabend hingen die doch noch in Heerscharen hier am Schmuck-Gitter — die säkularisierten Ohrringe aus der katholischen Requisite: flügellahme Engel zum Clipsen, Klein-Jesus statt am Kreuz als Stecker für's Ohr; und daneben die Mini-Lederröcke und Schirmmützen mit Puttendruck und dergleichen undevote Devotionalien mehr — einfach alles weg, was gepfählte KetzerInnen-Herzen erfreuen mußte.

Schön, verkauft, möchte man sich wünschen, ist ja auch letzter OFF/ON-Design-Tag. Schon sieht man im Geiste Engelsohren durch's Viertel wippen, aber nein: Versteckt!!!! Als Teufelszeug!!! Gabriela Herzog, der kühnen kölschen Designerin, steht das Entsetzen noch ins Gesicht geschrieben: Das alternative Bremer Publikum hat sich mächtig aufgeregt und sie der Gotteslästerung angeprangert. Ich hör' wohl nicht richtig! Aber doch, und wie: „Die fanden das total blasphemisch!“ Also hat sie alle Engel-und Jesulein weggepackt, um Frieden zu finden; wollte sich dabei gar nicht lustig machen, sieht doch bloß klasse süßlich aus. Eben. Die Freundin am Stand daneben hat ihre Lederplünnen im Puttenlook ebenfalls fast alle entfernt: auch sie eine alternativ überführte Blasphemin! Am liebsten wären beide wegen extremen Frustes vorzeitig dahin zurück, wo ihr Dom steht. Wenn nicht der Stand 300.-Mark gekostet hätte. Nein, verkauft haben sie nichts.

Später am Show-Abend applaudiert frenetisch das wahrscheinlich gleiche Publikum harmlosen Trickfilmchen, aber auch exklusiv bremischen Latex-Kleidern mit Domina-Kettchen — wohl weil die so sündig sind, wie Dorfschneiderinnen sich Bremens Nachtleben schon immer vorgestellt haben: fleischfarben und poumspannend.

Eine Stadt hat das Publikum, das sie verdient. Bremen hat darum die Bremer. Kriecht von mir aus zum Kreuze, aber kriecht! claks

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen