: Kulturautomat soll Kommunen ködern
■ Ein Vorschlag der »Stiftung Neue Kultur« zur Verdoppelung der ostdeutschen Kulturetats vorgestellt / Für jede Ostmark eine Westmark/ Hassemer: »Kultur verbessert die Atmosphäre«
Berlin. Für jede in die Kultur investierte Mark Ostdeutschlands sollen der Bund und die westdeutschen Bundesländer eine weitere Mark zugeben. Mit diesem Appell stellte Umwelt- und Stadtentwicklungssenator Hassemer gestern in der Akademie der Künste (Ost) ein Konzept der »Stiftung Neue Kultur« vor, in deren Kuratorium er den Vorsitz führt. Die »Stiftung Neue Kultur« war kurz vor Vereinigungsvollzug mit Geldern aus dem ehemaligen DDR-»Kulturfond« gegründet worden und hat sich bereits mit einer Tagung »Kulturförderung durch private Initiative« Ende April hervorgetan.
Akademie-Hausherr Heiner Müller, der neben den Ton- und Filmgrößen Georg Katzer, Wolf Biermann und Heike Misselwitz im Stiftungskuratorium sitzt, entschuldigte sich zunächst für die Massivpolstermöbel im Präsidiumssaal der Akademie, bevor er seinem Vorsitzenden das Wort überließ. Von der ursprünglich anvisierten Gründung einer Stiftung für ostdeutsche Kultur habe man wieder Abstand genommen, erklärte Hassemer, nötig sei vielmehr schnelle Hilfe. Die 1,2 Mio. Bundesmittel des »Aufschwung-Ost«-Programms zielten nicht in besonderer Weise auf Kultur.
Hassemers Finanzierungsmodell nimmt neben Bund und alten Ländern auch die ostdeutschen Kommunen und Länder in die Pflicht. So sei die Höhe des auf diese Weise erreichten Zuschusses auch Indikator für das kulturelle Engagement der neuen Länder. Mittels dieses »Seilschaftsprinzips« bliebe die inhaltliche Schwerpunktsetzung bei den Ländern, während sich der Kulturhaushalt auf unbürokratische Weise verdoppelte. Das könnte, rechnete Hassemer vor, einen jährlichen Zuschuß von 2,5 Milliarden Mark bedeuten.
Zur praktischen Umsetzung des mit Vertretern des Städtetags, Bundes- und Länderpolitikern schon besprochenen Vorschlags räumte Hassemer ein, daß sich Regierung und alte Länder bislang »zurückhielten«. Dennoch sei Kulturförderung im Osten ein »nationales Thema«, weshalb die zweite Hälfte der Solidaritäsabgabe vom Bund übernommen werden sollte. Kultur, erklärte Hassemer, verbessere »die Atmosphäre für die Gesellschaft«.
Auch Kammertonkomponist Georg Katzer machte schon einen »Kultur- und Zivilisationsverlust« im Osten aus, dem mit der Kunst abgeholfen werden müßte: Würden über den alten Strukturen auch noch die Kulturen wegfallen, würde es »wüst in den Köpfen«. Und Heiner Müller, der seine Forderung nach Zusammenlegung der Theater zum Segen der Anstalt wiederholte, rechnete den Nutzen der Kulturabgabe politisch vor. Solange die Leute ins Theater gingen, überfielen sie keine Sparkasse und würfen keine Eier auf den Bundeskanzler. Dorothee Hackenberg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen