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Freiwilligkeit soll Prinzip der Familienplanung bleiben

Jahresbericht der UNO-Bevölkerungsorganisation widerspricht Forderungen nach Zwangsmaßnahmen zur Verlangsamung des Bevölkerungswachstums  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Obwohl sie ihre Prognosen über die Zunahme der Weltbevölkerung bis zum Jahre 2025 erneut nach oben korrigieren mußte, setzt die UNO- Bevölkerungsorganisation (UNFPA) auch weiterhin ausschließlich auf freiwillige Maßnahmen der Familienplanung zur Senkung der Geburtenraten. Ziel sei es, allein in den „Entwicklungsländern“ die Zahl der Paare, die „auf Grund eigener Entscheidungen moderne Verhütungsmethoden anwenden“, von 381 Millionen im Jahre 1990 auf 567 Millionen bis zur Jahrtausendwende zu erhöhen, heißt es im gestern veröffentlichten „Weltbevölkerungsbericht“ 1991 der UNFPA. Dazu müssen die sozialökonomischen Bedingungen und der gesellschaftliche Status der Frauen in den meisten dieser Staaten erheblich verbessert und die finanzielle Unterstützung aus den Industrieländern deutlich gestärkt werden, heißt es in dem Bericht. Er widerspricht Forderungen nach Zwangsmaßnahmen zur Senkung der Geburtenrate in der „Dritten Welt“, wie sie gerade nach der jüngsten Katastrophe in Bangladesch in den Industriestaaten wieder verstärkt zu hören sind. „Die Erfahrungen der letzten 20 Jahre“ zeigten, daß „gut organisierte, allein auf Freiwilligkeit basierende Familienplanungsprogramme sehr effektiv sind“.

Die UNFPA rechnet damit, daß die Weltbevölkerung von 5,4 Milliarden Menschen Mitte 1990 auf 8,5 Milliarden im Jahr 2025 anwächst. Diese Wachstumsentwicklung verschärfe die Probleme noch, die schon jetzt verstärkte Anstrengungen bei der freiwilligen Familienplanung unerläßlich machten und zugleich erschwerten: „Städtewachstum, Umweltschäden, Nahrungsmittelkrisen in vielen Entwicklungsländern, Kinder- und Müttersterblichkeit, die Zahl der Mädchen ohne Schulbildung, der niedrige Status von Frauen sowie der zunehmende Migrationsdruck innerhalb und zwischen einzelnen Staaten.“

Die anvisierte Erhöhung der Zahl der Paare, die freiwillig Verhütungsmethoden anwenden, verlange eine Verdoppelung der jährlich zur Verfügung stehenden Finanzmittel für Familienplanungsprogramme auf neun Milliarden US-Dollar im Jahr 2000. Der Hauptanteil der Gelder wird bislang von den „Entwicklungsländern“ selbst aufgebracht. 1990 kamen nur 675 Millionen Dollar aus dem Norden. Der Bericht betont, daß zur erfolgreichen freiwilligen Familienplanung allein das Angebot von Verhütungsmitteln nicht ausreicht. Sie sei „abhängig von den Lebensumständen eines jeden Menschen, seinen Chancen und Möglichkeiten“. Von entscheidender Bedeutung sei „der Status von Mädchen und Frauen“ in den Ländern. Je höher ihre Möglichkeit zur „gleichberechtigten Teilnahme auf allen Ebenen ihrer Gesellschaft“, desto höher sei die Fähigkeit zu eigenverantwortlichen Entscheidungen zu Mutterschaft und Familienplanung. Der Bericht führt als Beispiel Kuba an, dessen Geburtenrate trotz ökonomisch sehr schlechter Rahmenbedingungen heute nur noch knapp über der in den Industriestaaten liegt.

Der UNFPA-Bericht belegt, daß noch mehr als in den Industriestaaten des Nordens in den „Entwicklungsländern“ die Männer den Frauen die Sorge und Last verläßlicher Verhütung überlassen. Laut UNFPA übernahmen sie 1990 durch Kondomgebrauch oder Vasektomie nur in 15 Prozent aller „Verhütungsfälle“ die Verantwortung, während in den anderen 85 Prozent die Frauen sich sterilisieren ließen, die Pille schluckten oder Diaphragmas einsetzten.

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