: DGB für Pflegeversicherung
■ Auch der Staat soll sich an der Finanzierung beteiligen/ Kompromißvorschlag von Späth mit individuellen Freistellungsmöglichkeiten/ Weiter Ablehnung der Arbeitgeber
Bonn (dpa) — Das Pflegefallrisiko darf nach Auffassung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) keinesfalls in den Bereich der privaten Vorsorge abgedrängt werden. Pflegebedürftigkeit sei mit chronischer Krankheit gleichzusetzen und deshalb unter dem Dach der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abzusichern, betonte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer am Montag vor Journalisten in Bonn. Vorbeugung, Rehabilitation, Behandlung und Pflege seien ebenso als Einheit zu sehen wie die körperlichen, geistigen und sozialen Folgen von Krankheit und Pflegebedürftigkeit. Diese Verbindung sei wichtig, um einen Anreiz zu setzen, den Pflegefall soweit wie möglich hinauszuschieben.
Im einzelnen stellt sich der DGB nach den Worten von Engelen-Kefer vor, daß die Finanzierung der Leistungen bei stationärer Pflege auf drei Schultern liegen sollte: analog der Krankenhausfinanzierung sollte die öffentliche Hand die Investitionskosten für Pflegeheime übernehmen, die Krankenkassen die Pflegeleistungen bezahlen und die Betroffenen einen Beitrag zu den Kosten für Unterbringung und Verpflegung leisten. Die Ausgaben der Krankenkassen sollten über Beiträge der Arbeitgeber und der Versicherten sowie einen öffentlichen Zuschuß in Höhe des ersparten Sozialhilfeaufwandes finanziert werden.
Auch der Bundesvorsitzende der Senioren-Union der CDU, Bernhard Worms, plädierte am Montag nachdrücklich für die schnelle Einführung einer gesetzlichen Pflegeversicherung. Erst damit sei der „Schlußstein zur Sicherung des Sozialgebäudes der Bundesrepublik“ gesetzt, sagte er zur Eröffnung der Bundesdelegiertenversammlung der Senioren- Union in Hamburg.
Der baden-württembergische CDU-Landesvorsitzende Lothar Späth trat für eine gesetzliche Pflegeversicherung mit individueller Befreiungsmöglichkeit ein. Darin könne ein Kompromiß zwischen dem Modell von Bundesarbeitsminister Norbert Blüm und der Forderung nach einer privaten Absicherung bestehen, meinte Späth bei der Vorstellung des Entwurfs für das Grundsatzprogramm „CDU Baden-Württemberg 2000“.
Die Arbeitgeber halten indessen an ihrer Ablehnung einer sozialversicherungsrechtlichen Lösung fest. Insbesondere ein Beitrag der Arbeitgeber an der Abdeckung künftiger Pflegerisiken laufe auf eine verfassungswidrige Sonderabgabe hinaus und lasse sich deshalb nicht rechtfertigen, erklärte Arbeitgeberpräsident Klaus Murmann am Montag in Köln. Unbestritten sei die Notwendigkeit, das Pflegefallrisiko für alle Bürger abzusichern.
Dies lasse sich aber nur durch die Kombination mehrerer Finanzierungsprinzipien erreichen. Jeder Bürger nach Beendigung seiner Ausbildung, spätestens ab dem 30. Lebensjahr, solle verpflichtet werden, eine private Pflegeversicherung abzuschließen. Für bereits heute Pflegebedürftige sollte nach den Vorstellungen der Arbeitgeber ein Umlageverfahren angewandt werden. Dazu müßte ein Fonds errichtet werden, der aus Mitteln aller Steuerzahler sowie jener Institutionen, die durch eine Neuregelung der Pflegeabsicherung entlastet werden, finanziert werden sollte.
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