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Licht, Geruch, Geräusch und Farbe

■ Häusermalerei der Frauen von Ama Ndebele im Haus der Kulturen der Welt

In Kwa Ndebele, dem nordöstlich von Pretoria gelegenen Homeland, bemalen die Frauen ihre Lehmhäuser. Wie es kam, daß nicht nur Fotos dieser individuellen Wandmalereien, sondern auch die Künstlerinnen selbst ins Haus der Kulturen fanden, ist Teil der Ausstellung »amaNdebele. Farbsignale aus Südafrika«, mit der das malerische Werk von neun Künstlerinnen exemplarisch vorgestellt wird.

Von Claire Robinson

Am Anfang war sicherlich nicht das Buch der namibischen Bildjournalistin Margaret Courtney-Clarke, in dem sie 1986 auf die farbenprächtigen Hausbemalungen der Ama Ndebele-Frauen aufmerksam machte und, das Ethnographische hintanstellend, den Kunstcharakter der Arbeit hervorhob. Am Anfang muß natürlich die Geschichte dieses Volkes selbst stehen, die Saga seiner jahrhundertelangen Wanderungen vom Äquator 300 n. Chr. Richtung Süden bis zur endgültigen Niederlassung in der Gegend des späteren Transvaal im 16. Jahrhundert. Und muß die traumatische Schlacht der Ama Ndebele gegen die Armee der Buren 1883 folgen, die sie verloren. Danach machte man sie zu Sklaven auf den Farmen des »Baas«. Das alles erfuhr Wolfger Pöhlmann, Organisator im Haus der Kulturen der Welt, aber erst später.

Für Pöhlmann war das besagte Fotobuch dennoch der Anfang, Anfang eines besonderen Projektes. Er begeisterte sich an der Farbenpracht, der geometrischen Kraft der Hausbemalungen in strahlendem Weiß, Rot, Blau, Grün, Schwarz und war fasziniert von der so unterschiedlichen wie eigenwilligen Farbgebung und -gestaltung jedes Objektes, auch der Perlarbeiten der Frauen, ihrer Kleidung. »Das sind wahre Künstlerinnen! Moderne Kunst hier soll sehen, wie modern die Kunst dort ist. Schließlich ist Afrika unsere Wurzel«, soll er ausgerufen haben. »Ich fahr' nach Südafrika und frag' sie, ob sie nicht in Berlin ausstellen wollen.« Gesagt, getan. »Wir haben uns einfach auf die Reise gemacht.«

Ein wenig leichter wurde die Reise durch die Mitarbeit des südafrikanischen Exildichters Vusi D. Mchunu, der als Mittler und Übersetzer fungierte. Mchunu selbst betrat zum ersten Mal seit vierzehn Jahren Heimatboden. Als Helfer fungierte zudem der bekannte südafrikanische Dokumentarfotograf David Goldblatt, der vor Jahren schon einen Fotoessay über die Pendler zwischen Kwa Ndebele und Pretoria gemacht hatte. Pöhlmann, Mchunu und der Industriedesigner und Fotograf Tönis Käo fuhren ins kleine Homeland Kwa Ndebele nordöstlich von Pretoria und wurden in der folgenden Woche in Weltevreden (der Ort heißt tatsächlich »Weltfrieden«) im Haus Francina Ndimandes aufgenommen, »eine ganz großartige Gastfreundschaft«, blickt Pöhlmann zurück. Davon zeugt auch der Film, den er — manchmal verwackelt — drehte. Er zeigt den von Francina Ndimande bemalten Palast ihres Halbbruders, des regierenden Königs David Mabusa Mabhoko, und die katholische Isango-le- Zulu-Kirche, die sie gemeinsam mit Mann und Tochter innen wie außen gestaltete.

Der Film verdeutlicht, daß die Malerei eng mit den Initiationsriten (iqhude) für Jungen und Mädchen verbunden ist. Die Mütter bemalen in wochenlanger Vorarbeit (ukusinda) zur Feier des Tages die Häuser, nachdem der Junge zwei Monate in der Wildnis verbrachte und das Mädchen genausolange in der Isolation des Hauses aushielt. Die Frauen, die Pöhlmann, Käo und Mchunu besuchten, hatten alle ihren eigenen Stil, ihre eigene Farbharmonie, ihre eigenen Symbole, ihren eigenen Kopf. Das Malen, erzählte Francinas Mutter, die 85jährige Bezangani Mahlangu, sei früher nur mit natürlichen Farben wie Kalk, Lehm, Sand und Ruß geschehen. Der Regen hätte jährlich alles weggeschwemmt, und dann hätten die Frauen eben wieder von neuem begonnen. Jetzt arbeite frau viel mit synthetischen Farben, die hielten länger.

Die Vitalität der alten Frau beeindruckte Pöhlmann sehr — so wie die nahezu monochrome Gestaltung des Mauerinnenraums um ihr Haus. Weil sie den Bougainvillea-Baum so liebt, hat sie die Mauern grün, rot und violett gestrichen. Das Monochrome, die im Abendland radikalste Form, wird in Afrika zur Ausgangsform. Als erstes ziehen die Frauen Linien, meist in Weiß und Schwarz. Ob sie alle von rechts nach links und oben nach unten arbeiten, bleibt unklar. Sicher ist, daß viele mit einzelnen Grundlinien als Orientierung beginnen und dann achsensymmetrisch, allerdings ohne Perspektive, die Skala ihrer Motive (amagama) entfalten. Manche begnügen sich mit Rahmenbordüren, andere, wie Iva Skhosana, malen riesige, signalhafte schwarze Zeichen auf ihre nach Norden, in Richtung Sonne stehenden türkisfarbenen Wände.

»Alle Formen sind von meinem Hirn gewollt. Es ist meine eigene Schöpfung und ich ahme niemanden nach«, so Francina Ndimande gegenüber Vusi Mchunu. Die Frage nach dem Sinngehalt, dem Symbolismus läßt sich nicht leicht beantworten. Einzelne Farben wie etwa der rote Ocker stehen für die Kommunikation mit den Geistern der Ahnen, eine weiße Umrahmung von Fenstern und Türen soll böse Geister abwehren, und die Farbe Blau meint den Himmel und seine Luftgeister. Oft werden die erdigen Farben für den Sockelbereich des Hauses verwandt — eine Verbindung zu den Ahnen. Hinter den abstrakt-geometrischen Formen verbergen sich nicht selten Segmente des Hauses selbst, wie etwa Treppen, Türen, Tore, Giebel, Fenster.

Aber direkte Symbolzuweisungen lehnen die Frauen ab. Jede entwickelt ihre eigene Konnotation, will allenfalls von der mehrjährigen Lehrmeisterin, der Mutter, inspiriert sein. Selina Makwe malt Ketten, Pfeile, umgedrehte Herzen, weigert sich jedoch, dies zu interpretieren. In ihren Augen sind sie »richtig und schön«. Jüngere, wie Lisbeth Mahlangu, sind »realistischer« und integrieren Hochmasten, Lampen, Glühbirnen, Autos, Ampeln in ihre Fresken. Ebendies lehnt Francinas Tochter Angelina strikt ab: »So etwas ist wie ein Nachahmen der europäischen Malweise. Ich ahme nie andere nach.«

»Ich wollte nur Schönheit sehen«, sagt Julia Sarah Masombuka, und daß sie immer wieder und gerne malt. Martha Msiza sucht mit der Malerei Glanz für ihre Behausung und will eine »eigene persönliche Spur« hinterlassen. Martha gestaltet auch Skulpturen und baut in ihre Mauern Treppen als Symbol des Aufsteigens, des Vorwärtskommens ein. Sie will, daß ihre Kinder stolz sein und ihr hartes Leben auf der Buren-Farm bei »Baas Lazarus« vergessen können. Sinn ihrer Malerei sei, »Schönheit zu schaffen« und »Freude zum Ausdruck zu bringen«, sagt auch Francina. Wenn man zum Kontrast die unbemalten, roh wirkenden Häuser in den armen Siedlungen sieht, weiß man, was sie meint. »Ich möchte immer malen.« Und ihre Tochter sagt: »Die Kraft meiner Arbeit kommt aus Mut, Harmonie und Schönheit.«

Wieviel ein Haus wert ist, haben die Ama Ndebele nach der Niederlage gegen die Buren zu spüren bekommen. Das Haus bietet zu Zeiten von Versklavung, Zwangsumsiedlung und späterer Wanderarbeit Schutz und wird Metapher für Kontinuität. Seit dieser Zeit erlebte die Hausbemalung ihre Blüte und überholte sogar die historisch ältere Form der Perlstickerei, die leichter für touristische Zwecke verwertbare Kunst. Die Kongruenz von Politik und Hausbemalung zeigt sich sehr deutlich: Malerei kündet von ethnischer Herkunft und verteidigt ihre Strukturen. »Wir müssen unsere Traditionen beibehalten, wir müssen den Störfaktor Buren und das von ihnen gestohlenene Land ignorieren«, sagt die alte Bezagani kategorisch.

Selbstbewußtsein und Ethnizität stehen aber auch in direkter Beziehung zur relativen Machtlosigkeit der Frauen in einer immer noch von den Männern praktizierten Polygynie wie bei den Ama Ndebele. Malen wird so zum Machtinstrument entpolitisierter Frauen. Doch die Frauen in Weltevreden oder auf den Farmen der Weißen sind mittlerweile erstarkt. Sie beweisen dies nicht nur tagtäglich, indem sie das Haus zusammenhalten, sondern sind auch als politische Kraft nicht mehr wegzudenken. Anfang der 80er Jahre wollten sich konservative Kreise im sehr spät installierten Homeland Kwa Ndebele von Pretoria ganz zur Unabhängigkeit überreden lassen. Dies hätte für Zehntausende Menschen den Verlust des südafrikanischen Passes und damit des Arbeitsplatzes außerhalb des Homelands bedeutet. Die Frauen, die bis 1984 kein Stimmrecht besaßen, fochten den Coup vor dem Verwaltungsgericht in Pretoria an und verhinderten mit ihrer Stimmenmehrheit 1988 den Ausverkauf des Homelands. Gleichzeitig beteiligten sie sich am Aufbau einer neuen, »besseren« Partei, die dem ANC nahesteht.

Heute seien die Männer schwach, sie tränken und kümmerten sich nicht um ihre Kinder, sagen viele Frauen in Kwa Ndebele. Die Mutter, sagt ein Ama-Ndebele-Sprichwort, hält das Messer am scharfen Ende, da, wo es härter ist. Oder: Wo es brennt, dahin geht die Mutter, der Vater nicht.Am Ende seiner Reise angelangt, findet Pöhlmann vier Häusermalerinnen, die nach Deutschland kommen wollen. 70 Leute bringen die vier, Francina und Angelina Ndimande sowie Nomthelo und Nondudzi Mahlangu, zum Flughafen. Von Weltevreden kommend, landen sie in Berlin unterm breiten Dach des Hauses der Kulturen der Welt. Daß sie in Berlin bei einer Weißen wohnen, irritiert sie nur kurz. Nachhaltiger erschüttert sie, daß gegenüber ein Friedhof ist, mitten unter den Lebenden. Nach dem Farbeinkauf beginnen sie ihre Malarbeit im Inneren — erstmals in einem künstlichen Raum, ohne das, was Pöhlmann das »Gesamtkunstwerk wirkliches Leben« nennt — jenes Konzert aus dem einmaligen afrikanischen Licht, Geruch, Geräusch und Farbe. Den Frauen gefällt's. Francina zieht die Linien, dann wird diskutiert und gemalt.

Die Ausstellung zeigt neben den originalen Malereien sowie Farbfotos der Häusermalereien auch die kiloschweren Perlarbeiten und die Kunst an der Kleidung der Kwa Ndebele. Neben dem schon erwähnten Video Pöhlmanns läuft auch ein Film über den Kampf um politische Rechte der Frauen Kwa Ndebeles von Brenda Goldblatt, CBS-Reporterin in Johannesburg. In einem Nebenraum sind die beeindruckenden Schwarzweißfotografien David Goldblatts zu sehen. Er dokumentiert die tägliche Bus-Odyssee all der Menschen, die um zwei Uhr morgens Kwa Ndebele verlassen und abends um neun oder zehn Uhr aus Pretoria zurückkommen: Diese verwischten, dunklen Bilder von im Sitzen und Stehen erschöpft schlafenden, biegsamen Menschen muß man sehen — damit das Bild von Leben und Kunst der Kwa Ndebele nicht doch zu bunt wird.

ama Ndebele. Farbsignale aus Südafrika im Haus der Kulturen der Welt — Kongreßhalle, John-Forster-Dulles-Allee 10, bis zum 18. August, Di.-Do. 14-18 Uhr, Fr.-So. 10-20 Uhr. Alle Zitate sind dem empfehlenswerten Katalog ama Ndebele — Farbsignale aus Südafrika entnommen.

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