: Geht Schalcks Protektion zu Ende?
■ Hausdurchsuchungen und Ermittlungen gegen beteiligte Firmen/ Bundestag wird auf Antrag von SPD und Bündnis 90/Grüne Untersuchungsausschuß einsetzen/ Schalck dementiert alle Vorwürfe
Berlin (taz) — Es könnte das Ende eines geruhsamen Lebens am bayerischen Tegernsee bedeuten: Die Villa des ehemaligen Chefdevisenbeschaffers und Stasi-Obristen Alexander Schalck-Golodkowski ist gestern vormittag auf Antrag der Berliner Staatsanwaltschaft durchsucht worden. Insgesamt wurden bei der großangelegten Razzia 16 Wohnungen in Berlin, Brandenburg und Bayern nach Beweismitteln gegen den Leiter des „Bereiches Kommerzielle Koordinierung“ (KoKo) durchsucht. Von der Aktion waren neben den Mitarbeitern ehemaliger KoKo- Firmen aber auch die Protegés des Stasi-Obristen betroffen: Durchsucht wurden die Räume leitender Mitarbeiter einer Augsburger Fleischfabrik, die in der Vergangenheit enge Kontakte zur KoKo unterhielt und deren Besitzer zum engsten Umfeld Schalcks und des verstorbenen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß gehören. Wegen des Verdachts auf Veruntreuung wird nun auch gegen Manager und ehemalige Vorstandsmitglieder der „Alpha Handels AG“ sowie dem früheren DDR-Handelsbetrieb „Exquisit“ im Berliner Bezirk Mitte ermittelt. Eine Justizsprechesprecherin sagte auf Anfrage, die Firmenverantwortlichen stünden im Verdacht, 32,8 Millionen DM aus dem Unternehmensbereich auf die Seite geschafft zu haben.
Aber auch von anderer Seite droht dem Stasi-Genossen Schalck, dem vom verbotenen Technologietransfer über illegale Devisengeschäfte bis zum Waffenschmuggel allerhand angelastet wird, eine Aufdeckung seiner dunklen Geschäfte. Auf Antrag der SPD und des Bündnis 90/Grüne wird sich ein Untersuchungsausschuß des Bundestages noch vor der Sommerpause mit den (bisher wohl nur dem BND bekannten) Geschäftspraktiken Schalcks befassen. SPD-Chef Vogel erklärte gestern in Berlin, das Gremium solle hauptsächlich Herkunft, Umfang und Verbleib des Vermögens aus dem Außenhandelsimperium klären. Mit ihren gemeinsamen Stimmen können SPD und Bündnis 90/Grüne einen Untersuchungsausschuß beschließen. Die Sozialdemokraten wollen den Ausschuß auf ihrer kommenden Fraktionssitzung beschließen. Die CDU, die einen solchen Ausschuß vorab als nicht sinnvoll bezeichnete, versprach, die Einsetzung „nicht behindern“ zu wollen.
Schalck-Golodkowski ging unterdessen (und vor den Durchsuchungen) in die publizistische Offensive. Im Frühstücksfernsehen von RTL plus stritt er gestern ab, den Auslandsspionagedienst der Stasi mit Devisen oder elektronischen Geräten ausgestattet zu haben. Er verwahrte sich außerdem gegen den Vorwurf, zu dieser Stasi-Abteilung „in irgendeiner Weise Beziehungen unterhalten“ zu haben. Weiter behauptete er, „als Person“ nie Embargoimporte durchgeführt zu haben. Er habe auch keine Importe zu verantworten, „die zur Bespitzelung von irgendwelchen Gruppen“ verwendet wurden. Der „Bereich Kommerzielle Koordinierung“ beschäftigte bis zur Stasi-Auflösung 137 Mitarbeiter, zu seinem Bestand gehörten auch 22 „Offiziere im besonderen Einsatz“. Im Bereich des Auslandsspionagedienstes war eine „Abteilung K“ für die Zusammenarbeit mit der KoKo zuständig.
Folgt man den Ausführungen Schalcks, der 1989 als KoKo-Leiter von der Staatssicherheit über 50.000 Mark Gehalt bezog, war das Außenwirtschaftsimperium nicht mehr als „ein staatlicher Bereich mit Außenhandelsbetrieben“, „eine Art Holding“ gewesen. Für die erwirtschafteten Mittel hätte es nur zwei „Abführungsbereiche“ gegeben: „den Staatshaushalt über das Ministerium der Finanzen“ und „das Ansparen von Geld, um Sicherheit zu haben“. Zu den 22 Milliarden Mark befragt, die während der Wende verschwunden sein sollen, sagte Schalck: „Ich habe damit wirklich nichts zu tun.“ Er will nur für die Zeit bis zum 2. Dezember 1989 die Verantwortung übernehmen, „als ich noch Leiter dieses Bereiches war“. Wolfgang Gast
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