: Das Leuchten der Duschköpfe
■ Abfallkunst in der Unteren Rathaushalle: eine „Kunst-Ausstellung“ der Recycling-Höfe / bis 29. Mai
Der Himmel hängt voller Hemden, die Sterne sind alte Schachteln und unten drunter die Holzbrücke macht einen weiten Bogen über Müll. Was ist los? Es ist soweit: Unsere schäbigen Reste kommen auf uns zurück und haben sich dazu in der Unteren Rathaushalle versammelt. Die meisten Reste haben sich aber schön gemacht und auf Hochglanz gebracht. Allein die Wäschetrocknertüre mit diesem seltsamen inneren Leuchten plötzlich! Das kommt von der versenkten Glühbirne und leuchtet wie nie gesehen, was ja auch stimmt.
Seit Dienstag buhlt unser aller Abfall — auf Kunst gebracht im Auftrag des Recycling-Hofs — um Anerkennung. Denn: wo noch soviel mit abfallen kann, das kann doch kein ganz schlechter Abfall sein! Iiih bewahre sollen wir jetzt natürlich nicht noch mehr Abfall anhäufeln; wir sollen ihn lieben und ehren und am besten behalten, um Sachen daraus zu machen — es müssen ja nicht gleich blitzlichternde Kaffeemaschinen sein oder flimmernde Duschköpfe oder Schirmständer aus Ofenrohren oder Eierbecher aus Fahrradsattelfedern.
Das Bild vom Abfall, sagt Volkhard Klerner vom veranstaltenden Bremer Recycling-Hof, das wolle man mit dieser Kunstaustellung verändern. Weil: immer bloß was in Tonnen stopfen ist zwar lebbar, aber lustlos. Man nehme dem Abfall also jetzt mal das Böse und mache aus ihm Kunst. Ist aber Kunst das Gegenteil von böse, also Liebe? Ein Lieblings-Ziel der Abfallkunst ist, wiedergebraucht ohne wiedererkannt zu werden. Eine Art Schadenfreude. Wie das luftige Fahrradschlauchkostüm und die mit Licht gesprenkelten Waschmaschinentrommel-Möbel von Claudia Sonnemann. Andererseits kann man, und schon ist's Kunst, den Müllbogen leicht überspannen — für eine veritable Installation genügen ja schon wenige Häufchen.
In der hintersten Ecke der Rathaushalle liegt ein alter Teppich mit Punkten und Strichel-Linien auf Müllboden. Das ist die „Hundskurve“, frei nach Frederick Vester, erklärt der Künstler, und die Punkte sind einmal ein Hundestandpunkt und dann fünf Menschenstandpunkte; das bedeutet: der Mensch pfeift, und der Hund rennt (Strichel-Linien). Jetzt steht aber eigentlich der Hunde-Punkt für den Menschen und die Menschenpunkte für die rasende Reihenfolge von Katastrophen. Übersetzt: Immer wenn die Katastrophe pfeift, etwa wegen Waldsterbens, rennt der Mensch hin, dabei taucht am Horizont schon das Ozonloch auf. Die Erde bleibt kurzatmig auf der Strecke.
Für typischere Reste-Verwertung steht bekanntlich Mode. Mode hat im Recycling-Hof einen Namen: Udo Meierdierks. Der Kunstprojekt-Leiter und ehemalige Kraftfahrzeugelektriker hat sich das Nähen selbst beigebracht und verzichtet auf Schnitte. Dafür ist er Meister im Umwidmen von Ex-Nachthemden, Ex-Ärmeln und Ex-Kissenbezügen in Damenoberbekleidung. Das dollste Ding ist ein schmetterschlingerndes Carneval-in-Rio-Kostüm mit Armflügeln und altem Eimer für den Kopfputz. Solche verwerteten Reste sieht man selten. Claudia Kohlhase
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