piwik no script img

25.000 Frauen hatten die Wahl

■ 150 Frauenbeauftragte in Bremen im Amt / ÖTV-Frau unterlag / Wasserschutzpolizei wählt nicht

Während sich Bremen auf die Bürgerschaftswahl im September einstellt, während die Partei-KarrieristInnen um Listenplätze rangeln und die StrategInnen über rot-gelb-grüne Koalitionen nachdenken, bahnte sich im Verborgenen eine reine Frauenwahl an: Rund 25.000 Bremerinnen waren gestern an die Wahlurnen gerufen. Fast im gesamten öffentlichen Dienst (23.000 Frauen) sowie bei Stiftungen, Anstalten und Körperschaften — von Radio Bremen bis zur Ärztekammer — konnten sich die weiblichen Beschäftigten ihre Frauenbeauftragte wählen. Ein bundesweit einmaliges Ereignis, da andere Bundesländer in Sachen Gleichstellung noch hinter dem bremischen öffentlichen Dienst hinterherhinken.

In etlichen Dienststellen kämpften gleich mehrere Kandidatinnen um die richtige frauenpolitische Linie. Besondere Spannung versprach der Urnengang in der Abteilung Verwaltung beim Bildungssenator. Dort kandidierte die Vorsitzende des ÖTV- Kreisfrauenausschusses, Irmtrud Gläser. Sie hatte die Frauenarbeit in der Behörde vorangetrieben und sich dabei nicht nur Freundinnen gemacht. Als Herausforderin trat die Sachbearbeiterin Edelgard Rockstedt an, die kein Gewerkschaftsmitglied ist. Edelgard Rockstedt zur taz: „Ich habe nicht das Bedürfnis, wie ein Mann zu werden. Frau Gläser ist emanzenhaft im negativen Sinne. Dogmatisch. Mir ist es egal, ob irgendwo steht: Kollegin oder Kollege. Ich möchte auch keine Quotenfrau sein.“ Edelgard Rockstedt gewann die Wahl.

Der Vorsitzende des Gesamtpersonalrates, Gerhard Tilsner, hatte in der Vorwahlzeit ein Rundschreiben versandt, um männlichen Kollegen Vorbehalte zu nehmen: „Wir wissen, daß bei einigen von Ihnen Befürchtungen vorhanden sind, die Gleichberechtigung könnte überzogen werden und sich so nachteilig für die Männer auswirken. Wir schließen nicht aus, daß es in Einzelfällen zu Problemen kommen wird, die wir im Geiste der Gleichberechtigung lösen müssen...“

Vor den Osterferien hatten die Dienststellenleiter die weiblichen Beschäftigten zu Frauenversammlungen eingeladen, rein weiblich besetzte Wahlvorstände wurden bestimmt. Da viele Frauen zum ersten Mal mit einem solchen Wahl-Amt betraut waren, konnten sie Schulungen besuchen. Die Resonanz war groß: 250 weibliche Wahlvorstände bildeten sich fort.

Von Amt zu Amt taten sich die unterschiedlichsten Schwierigkeiten auf. Zum Beispiel bei der Wasserschutzpolizei (240 Beschäftigte). Der zuständige Personalsachbearbeiter: „Der Amtsleiter hat die Sache persönlich in die Hand genommen und die Wahlversammlung durchgeführt. Aber es sind nur zwei Damen erschienen. Bei uns wird deshalb nicht gewählt.“ Er erläutert das geringe Interesse: „Wir haben nur eine Handvoll Damen und die sind auf Bremen, Brake und Bremerhaven verstreut. Und unsere einzige Beamtin ist zur Zeit in Hamburg in der Ausbildung.“

Eine gegenteilige Schwierigkeit tat sich beim Bildungssenator auf. Denn in der Dienststelle Schulen gibt es 5.500 weibliche Wahlberechtigte. Die Schul- Frauen weigerten sich, einen Wahlvorstand zu bestimmen. Eine einzige Frau als Frauenbeauftragte für 5.500 Beschäftigte, zudem ohne gesicherte Freistellung, erschien ihnen eine völlige Fehl-Konstruktion. Eine Verhandlungskommission handelte einen Kompromiß aus: Statt nur einer dürfen drei Frauenbeauftragte gewählt werden — eine für die Lehrerinnen, eine für die Verwaltungsangestellten und eine für die über tausend Raumpflegerinnen. Und: Jede der drei künftigen Frauenbeauftragten kann (ganz bzw. zum Großteil) freigestellt werden. Aber erst wenn eine weibliche Teilpersonalversammlung diesen Kompromiß absegnet, wird ein Wahlvorstand bestimmt. Bei anderen Dienststellen, wie auch bei der AOK, verzögerte sich der Wahltermin aus terminlichen Gründen.

Gar nicht in Sicht ist die Frauen-Wahl in der Handwerkskammer. Denn hier hatte der Vorstand gegen das Gleichstellungs-Gesetz „verfassungsrechtliche, datenschutzrechtliche und praktische Bedenken“ und deshalb nicht wählen lassen. Barbara Debus

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen