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Subventionsabbau ist nicht per Schnellschuß zu schaffen

Hamburgs Werften geraten durch Möllemanns Auszahlungsstopp in eine neue Krise/ Wettbewerbsbeihilfe verzögert allerdings den Strukturwandel  ■ Aus Hamburg Günesch Kale

Unbeliebter hätte sich Jürgen Möllemann in Hamburg kaum machen können: Nachdem er als Bildungsminister die StudentInnen auf die Palme gebracht hatte, schaffte er es — kaum zum Wirtschaftsminister aufgestiegen —, die Werften gegen sich aufzubringen: Von heute auf morgen stoppte er im April die Auszahlung der Subventionen für die nordwestdeutsche Schiffbauindustrie. Obwohl der Haushaltsausschuß des Bundestages insgesamt 450 Millionen Mark für 1991 und 1992 schon im Dezember vergangenen Jahres bewilligt hatte, gibt es also vorerst kein Geld.

Der FDP-Wirtschaftsminister will so sein Wahlversprechen, „Schlagwort Subventionsabbau“, auf die Schnelle wahrmachen. Den Bundestag forderte er auf, die schon getroffene Entscheidung erneut zu prüfen, will heißen: Die Werfthilfe soll, wenn nicht gestrichen, so doch gekürzt werden.

Diese Absicht löste im werftenkrisenerprobten Hamburg stürmische Reaktionen bei Gewerkschaftern, Unternehmern und Regierenden aus. „Ohne Wettbewerbshilfe haben die deutschen Werften keine Überlebenschance“, ist Günter Elste überzeugt, der Vorsitzende der SPD- Bürgerschaftsfraktion. Dabei weiß er sich im Einverständnis mit den Kollegen aus den anderen Küstenbundesländern. Der Hamburger Wirtschaftssenator Wilhelm Rahlfs (FDP) forderte Parteifreund Möllemann brieflich auf, der Kreditanstalt für Wiederaufbau das o.k. für die Auszahlung zu geben: „Es liegen für 200 Millionen Mark bewilligungsreife Anträge vor. Einige mittlere und kleinere Werften haben im Vertrauen auf den Beschluß des Haushaltsausschusses schon mit der Abwicklung von Neu- und Umbauten begonnen.“ Auf eine Antwort wartet Rahlfs noch immer.

Wenn das Geld aus Bonn nicht rechtzeitig eintrifft, geht es zuerst den kleinen Werften, wie Oelkers, an den Kragen: Welche Bank finanziert schon so auf die Schnelle einen Millionen-Liquiditätsengpaß? Die IG Metall schickte dem übereifrigen Wirtschaftsminister ein gepfeffertes Schreiben und verwies auf ein Gutachten des Bremer Instituts für Seeverkehrswirtschaft und -logistik und der Frankfurter Treuarbeit, in dem es heißt: „Die deutschen Werften sind vor dem Hintergrund fortgesetzter hoher Subventionen und anderer Unterstützungsmaßnahmen in den westeuropäischen Konkurrenzländern, und vor allem in Japan und Südkorea, ohne staatliche Unterstützung nicht wettbewerbsfähig.“

Und Gerhard Lilienfeld, Bezirkssekretär der IG Metall stöhnt: „Gerade hatten sich die Beschäftigungszahlen wieder stabilisiert. Wenn Möllemann damit durchkommt, wird die verhängnisvolle Abwärtsspirale für die Beschäftigung wieder eingeleitet. Das nehmen wir nicht hin.“ Der Gewerkschafter erinnert sich an düstere Zeiten: 1960 arbeiteten 21.500 Menschen auf Hamburgs Werften, 1968 waren es nur noch 11.000, heute sind nur noch 6.000 Arbeitsplätze übriggeblieben.

Jürgen Rohweder, Sprecher der Howaldtswerke Deutsche Werft, bleibt hingegen vorerst gelassen. Die Aufträgsbücher der Kieler Großwerft, die zweistellige Millionenbeträge aus dem Beihilfetopf bezieht, sind bis Mitte 1993 voll. Aber: „Wenn weiter gekürzt wird, dann wird es erheblich schwerer.“ Die Pressestelle von Blohm+Voss wiegelt ebenfalls ab: „Wir bauen ja kaum noch Schiffe.“ Was nicht ganz stimmt: Der Löwenanteil der Umsätze stammt bei beiden Werften aus dem gewinnträchtigen Bau von Kriegsschiffen.

Norbert Henke vom Verband für Schiffbau und Meerestechnik bescheinigt Möllemann „krasses Unverständnis“ für den Schiffbau. Außerdem rüttele er mit dem „nicht ausreichend durchdachten Schnellschuß“ am „Vertrauen in die Verläßlichkeit einmal getroffener politischer Entscheidungen“.

So weit, so schlecht: Möllemanns Vorgehen ist an politischer Ungeschicklichkeit sicher kaum zu überbieten. Denn ohne die bereits bewilligten 450 Millionen geht es im Moment nicht. Für zukunftsorientierte Werftplaner sind die traditionellen Wettbewerbshilfen allerdings ebenfalls ein Schritt in die falsche Richtung. So wie die Bundesmittel jetzt vergeben werden, behindern sie eher den notwendigen Strukturwandel, als daß sie ihn begünstigen.

Immer wieder forderten Grüne, Jungsozialisten oder Wissenschaftler, daß das von Bonn bereitgestellte Geld an bestimmte Bedingungen geknüpft werde, etwa an Aufträge für schiffbaufremde Produkte wie Klärschlammentsorgungsanlagen, Filter für Kraftwerke, Wasseraufbereitungsanlagen oder an konkrete Forschungsprojekte. 1982 gründete sich der „Alternative Fertigungskreis“ von Blohm+Voss, der inzwischen kiloweise Lösungsvorschläge erarbeitet hat.

Der Arbeitskreis schrieb in seinem Grundsatzpapier: „Wir sind gegen Rüstung und für alternative Produkte im Bereich des Umweltschutzes, der Rohstoffrückgewinnung, der Energietechnik, Anlagen für die Dritte Welt. Wir erwarten eine Zusammenarbeit mit dem Vorstand und den Führungskräften von Blohm+ Voss, sind uns allerdings klar darüber, daß Rüstungsproduktion hohe Gewinnspannen beinhaltet und somit zu einem großen Interesse der Unternehmer an diesen Produkten führt. Das könnte die Zusammenarbeit erschweren.“ Nach bald zehn Jahren beginnen die Unternehmensleitungen jetzt langsam, die „Spinner“ ernstzunehmen und ihnen wenigstens zuzuhören.

Immer wieder wurde von der Regierung ein ganzheitliches Werftenkonzept für den anstehenden Strukturwandel gefordert. Beispielsweise bei der Tagung „Rettet die Werft“ der Hamburger Jungsozialisten vor acht Jahren. In ihrem Abschlußpapier stand: „Unternehmensleitungen müssen konkrete Vorschläge zu alternativer Produktion unterbreiten. Bundes- und Landesregierung haben die Verpflichtung, Programme zukunftsorientierter nützlicher Produktionen offensiv zu fördern, in denen alle Werften im norddeutschen Raum einbezogen werden.“

Bis heute ist nicht viel geschehen: Liest man Zeitungsberichte der vergangenen Jahre, geht es immer wieder nur darum, wieviel Geld wer kriegt, um gegen die böse ausländische Konkurrenz weiter bestehen zu können. Auch Hamburgs SPD-Bürgermeister Henning Voscherau, dessen Partei wie schon Kaiser Wilhelm den Schiffbau zur nationalen Frage erhebt, scheint bis heute nichts anderes eingefallen zu sein, als das Entweder-Oder-Credo: Subventionen oder Tod der Werften. Daran glaubte er schon vor zehn Jahren.

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