"Institution" der Medienrezension-betr.: Sybille Simon-Zülch's Medienkritik

Die Göttinen und Götter auf der erdabgewandten Seite des Bildschirms und Lautsprechers leben im paradiesichen Zustand der Kontroll-und Kritiklosigkeit. Besser als Beamte abgesichert und bezahlt, können sie machen, was sie wollen. Passive Bestechung und Korruption? Das kennen sie nicht. Jeder redet ihnen ohnehin nach dem Mund, hofiert, begünstigt, bewirtet sie: Bitte, berichten Sie günstig! Sie klopfen auf die Schulter, belächeln und verspotten. Auch, oder gerade dann, wenn sie nichts verstanden haben und sich um Verständnis gar nicht erst bemühen wollten. Sie können die anderen tanzen lassen. Das Medium gibt ihnen die Aura. Die Aura wird ihnen zur Macht. Ihre Vorgesetzten — ebenfalls ohne Kontrollinstanz — kontrollieren diese Macht nicht, sondern behüten sie. Was sollen da noch journalistische Standesvorstellungen von ehedem.

So oder ähnlich mögen auch andere RadiohörerInnen und FernseherInnen denken, sprach-und machtlos, weil medienlos: Unser einziges Mittel ist das Abschalten.

Um so verblüffter war ich angesichts — und nach Lektüre - des Artikels: „Für Sie ist nichts Spannendes dabei“ von Sybille Simon-Zülch. Richtige Medienkritik! Das gibt es? Die Print Medien-Krähe nähert sich der TV-Krähe? Und dann gleich mit diesem Verständnis für die Ohnmacht der „Journalismus“-Opfer, dieser Schärfe der Beobachtung der „Journalismus“-Täter, dieser Intensität der Verarbeitung von Eindrücken, diesem Ernst der Bewertung, dieser Formulierungsfähigkeit. — Eine Kritik, die ihr Gewicht aus ihrer eigenen Genauigkeit und Integrität bezieht. Eine Kritik, die gerade daraus eine Wirkung auf die wohl unerwartet und ungewohnt Betroffenen und ihre Vorgesetzten entwickeln muß.

Schade, daß solche Kritik nicht öfter formuliert wird. Schade, daß daraus nicht eine „Institution“ der Medienrezension entsteht, die endlich den MedienmacherInnen und ihren Vorgesetzten einen kritischen Spiegel vorhält, wie er zumindest in Politik, Wissenschaft und Kultur selbstverständlich ist.

Dr.Volker Plagemann, Senatsdirektor