: »Man weiß nie, was geschieht«
■ Das Theaterstück der Berliner Obdachlosen GmbH & CoKG hat Anfang Juni Premiere/ Die Proben haben die Akteure fest zusammengeschweißt/ Die Truppe ist jedoch weiter auf Spenden angewiesen
Berlin. Der Untergang steht kurz bevor. Das Theaterstück mit diesem Namen, gespielt von der Berliner Obdachlosen GmbH& CoKG, hat am 2. Juni Premiere.
Zusammen mit professionellen Schauspielern spielen fünfzehn Obdachlose Szenen aus ihrem Leben auf der Straße, beim Sozialamt oder in den Läusepensionen. Regisseur ist der Jugoslawe Bernard Wind. Er hat bereits Erfahrung gesammelt in der Zusammenarbeit mit sozial Benachteiligten und unter anderen mit Sinti und Roma an einem Schauspiel gearbeitet. »Die Stärke des Stücks«, so Wind, »ist die Verknüpfung der Lebenserfahrung mit der Kunst.« Die einzelnen Dialoge entstanden aus der Improvisation und wurden in das aus zehn Bildern bestehende Theaterstück integriert.
Die Zusammenarbeit von Obdachlosen und professionellen Schauspielern ist für beide Seiten eine ganz spezielle Erfahrung: »Im professionellen Theater beruht das Spiel auf genauen Absprachen«, meint die Schauspielerin Margot Busse, »hier dagegen weiß ich nie so ganz genau, was als nächstes geschieht.« Nach Ansicht von Klaus, seit zehn Jahren »auf Platte«, können beide Seiten voneinander lernen: »Die einen kennen dieses Leben nicht, die anderen kennen die Schauspielerei nicht.« Doch die vielen Proben sowie mehreren öffentlichen Lesungen eigener Texte haben die Truppe mittlerweile zusammengeschweißt.
Für Wind war es während der 96 Probentage wichtig, »Fluchten zuzulassen« und »Konfrontationen nicht zu fürchten.« Eine große Rolle spielte dabei neben der künstlerischen auch die soziale Betreuung durch insgesamt fünf sehr für das Projekt engagierte Frauen. Denn eitel Sonnenschein herrschte zwischen den Heimatlosen und denen, die am Abend nach Hause zurückkehren können, durchaus nicht immer. In solchen Fällen, erzählt Wind, habe man sich im Kreis zusammen- und auseinandergesetzt, wichtigste Regel: einander ausreden lassen. »Auch wenn das nicht immer so einfach war.«
Nicht einfach ist auch die Finanzierung des Projekts. Haushaltsmittel gibt es nicht. Rainer Röppke (Bündnis 90), Sozialstadtrat in Berlin-Mitte, mußte als Organisator kräftig Klinken putzen gehen, denn die Obdachlosen GmbH& CoKG ist auf Spenden angewiesen. 60.000 Mark hat er bereits zusammengesammelt, etwa 35.000 trägt das Landesamt für zentrale soziale Aufgaben im Rahmen der sozialen Künstlerförderung bei. Doch um sämtliche Kosten decken zu können, für Requisiten, Beleuchtung, Honorare aber auch für die tägliche gemeinsame Kaffeerunde, fehlen noch immer rund 40.000 Mark. Damit Untergang nicht untergeht, bitten die Akteure deshalb dringend um Spenden unter der Kto.-Nr.: 3061000 bei der Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 10020500, Verein zur Integration und Persönlichkeitsentfaltung behinderter Menschen e.V., V-I-P, Kennwort: obdachlos. maz
Die »Untergang«-Premiere ist am 2. Juni um 20 Uhr in der Parochial-Kirche am U-Bhf. Klosterstraße. Weitere Aufführungen: Vom 4. bis 16. Juni, außer montags. Die Karten kosten 12 bzw. 8 Mark und können unter Telefon 4526124 (West) vorbestellt werden. Pro Aufführung gibt es 30 Freikarten für Obdachlose.
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