piwik no script img

Auseinanderlegen statt zusammenlegen?

Wochen nach dem Anschlag auf Rohwedder ist der Streit über den Umgang mit den Gefangenen der RAF voll entflammt/ CDU und CSU kochen ihr parteipolitisches Süppchen mit Unterstützung von Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft  ■ Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) — Mit einer Verzögerung von sechs Wochen nach dem Mord der Rote Armee Fraktion an Detlev Rohwedder stehen die Fronten wie gehabt. Weil sie der Täter nicht habhaft werden, streiten Politiker und Staatsschützer auf gewohntem Niveau über den Umgang mit den Gefangenen aus der RAF. Lautstark diskutiert wird über ihre Auseinanderlegung, nicht, wie vor dem Mord, über ihre Zusammenlegung. Generalbundesanwalt von Stahl setzte mit einem Panorama-Interview den düsteren Startpunkt. Ziel der Zusammenlegung sei für die RAF stets allein die Verbesserung ihrer Kampfbedingungen gewesen. Das ominöse „illegale Kommunikationssystem“ zwischen den Gefangenen diene dazu, „die Ideologie zu festigen und abweichende Ideen, die nicht mit der Hauptkampflinie der RAF in Übereinstimmung zu bringen sind, zu ersticken“. Mit einem möglichen neuen Hungerstreik würden die Gefangenen lediglich versuchen, „bessere Ausgangsbedingungen für die Freipressung beziehungsweise Freilassung der inhaftierten RAF-Mitglieder zu erlangen“. Das Fernsehmagazin wurde gleichzeitig mit Kassiber-Auszügen versorgt, die von Stahls (weder mit dem Bundes- noch den Länderjustizministern koordinierte) Aussagen belegen sollten. Tatsächlich kommt darin das ganze Instrumentalisierungsdenken zum Ausdruck, mit dem schon die erste RAF-Generation seinerzeit die „politische Dummheit“ der liberalen Öffentlichkeit glaubte ausnutzen zu können. Nun will ein/e Gefangene/r den ehemaligen amnesty-Generalsekretär Helmut Frenz in Richtung Björn Engholm in Bewegung setzen, um dem Ziel der Zusammenlegung näher zu kommen. Auch dieser Versuch, den designierten SPD-Vorsitzenden für sich einzuspannen, kann, wie andere zuvor — zumal nach der vorzeitigen Veröffentlichung —, nur scheitern. CDU und CSU ließen sich die Gelegenheit zur Profilierung gegenüber ihrem reaktionären Wählerrand nicht entgehen. Die CSU verlangt den Einsatz verdeckter Ermittler im Bereich der RAF. Die sollen zur Festigung ihrer Glaubwürdigkeit in der Szene auch gleich Straftaten begehen dürfen. CDU-Regionalpolitiker in Nordrhein-Westfalen verlangen lautstark die Trennung der in Köln-Ossendorf einsitzenden Gefangenen Christa Eckes, Ingrid Jakobsmeyer, Sieglinde Hofmann und Adelheid Schulz. Ausgerechnet NRW-Justizminister Rolf Krumsiek (SPD), der nach dem RAF-Hungerstreik im Frühjahr 1989 der Minizusammenlegung erst auf erheblichen Druck seines Ministerpräsidenten zustimmte, soll jetzt den Buhmann machen. Erst auf Druck des Bundesjustizministers Klaus Kinkel (FDP) konnte Krumsiek angeblich davon abgebracht werden, dem CDU- Druck nachzugeben. Kinkel, unterstützt von seinem Parteifreund und ehemaligen Innenminister Gerhart Baum, wehrt sich bisher standhaft gegen eine erneute Verschärfung der Haftbedingungen für die RAF-Gefangenen. Baum warnte gestern in Bonn vor einer Wiederbelebung des „Mythos RAF“ durch eine Auseinanderlegung. Eine solcher Rückschritt könne für die Untergrundgruppe der RAF „tatstimulierend“ wirken. Damals wie heute reihten sich Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt bei den politischen Hardlinern von CDU und CSU ein. In einem Interview warnte gestern BKA-Chef Hans-Ludwig Zachert vor einer breiten Diskussion über Hungerstreik und Zusammenlegung. Im selben Atemzug goß er mit der Forderung nach strengeren Kontrollen für die heute bereits bestbewachten Häftlinge der Republik Öl ins Feuer. Entführungen zur Freipressung inhaftierter Gesinnungsgenossen hält er für möglich. Auch der Verfassungsschutz steht in der neuen alten Auseinandersetzung da, wo er immer schon stand: Hamburgs VS- Chef Christian Lochte, heftigster Verfechter einer Zusammenlegung in großen Gruppen, schäumt regelrecht angesichts der „einschichtig“ geführten Debatte. Primäres Motiv des Verfassungsschutzes beim Umgang mit den RAF-Gefangenen sei stets gewesen, ihnen „das Kampfthema Isolationshaft zu nehmen“. Die Vereinzelung der Inhaftierten sei geeignet, sie „ständig neu zu motivieren“ und ihnen neue Anhänger zuzuführen. Die Hoffnung, daß „die Gruppe nach einer Zusammenlegung auseinanderfällt“, sei dagegen „sekundär“. Jedenfalls gebe es aufgrund der Zellenfunde „kein einziges Indiz dafür, daß einer, der am Schwanken war, nach der Zusammenlegung wieder zum Hardliner geworden ist“. Außerdem, meint Lochte mit Blick auf die gegenwärtige Gruppengröße von maximal vier Gefangenen, „kann man ein Experiment nicht für gescheitert erklären, wenn es nur zu einem kleinen Teil durchgeführt“ wurde. Fast prophetisch klingt angesichts der Geisterdebatte die Bemerkung eines liberaler Anwandlungen wenig verdächtigen Bonner CDU-Spitzenpolitikers kurz nach dem Rohwedder-Anschlag: Mögliche Fortschritte würden immer dann verschüttet, wenn die „jeweilige Opposition“ glaube, im Zusammenhang mit der RAF-Zusammenlegung den „Untergang des Abendlandes“ beschwören zu müssen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen