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Böses kleines Salonstück um die Liebe mit drei Ecken

■ »Und/Oder« von Judith Herzberg in der Rost-Bühne

Der Mittlere ist schon länger tot(Foto: Margarete Redl-von Peinen)

Nicht nur Kinder sind fürs Leben verstört, wenn Mutter mit lächelndem Gesicht sagt, daß sie böse ist. In Judith Herzbergs Satire über die Freuden des Ehelebens zu dritt ist die verwirrende Parole des »double bind« zum Stilmittel erhoben: Es darf nur positives gesagt werden, egal wie verletzt frau sich fühlt. Zwei Frauen buhlen um das goldene Kalb Mann und der Sieger des Teile-und- herrsche-Prinzips ist natürlich männlich. Die masochistisch liebe Ehefrau und die scheinbar unabhängige Geliebte spielen ihre für den Mann bequemen Rollen, wirkliche Persönlichkeit können sie sich längst nicht mehr leisten.

Der Rost Bühne ist mit »und/oder« ein böses kleines Salonstück gelungen. Jede der drei Figuren ist fünfzig und/oder dreißig Jahre alt und die Geschichte könnte sich so und/oder auch anders abgespielt haben. Der Mann hofft auf eine Professur, die Ehefrau ist Galeristin, die unter anderem auch die Werke der Geliebten ausstellt. Und dann gibt es noch die Mumie von Sohn Augustus, der sich mit 13 Jahren umgebracht hat.

Regisseur Werner Gerber, der auch für den genial-variablen Bühnenbau verantwortlich ist, gelingt es innerhalb kürzester Zeit, die surrealistische, spannungsgeladene Atmosphäre des Textes umzusetzen. Meist sind alle drei Akteure gleichzeitig auf der Bühne, wer nicht spielt, sitzt erstarrt außerhalb. Die Dialoge sind absurd, voller Doppeldeutigkeiten und versteckter Verletzungen: »Wir sollten verreisen«, sagt der Mann, darauf die Gattin: »Ich packe bereits!«, darauf er, verwundert: »Kommst Du auch mit?«. — Das Treffen der beiden Rivalinnen ist dann auch »entsetzlich nett« gewesen, voll entsetzter Blicke und aufgesetzter Ungezwungenheit. Vor lauter unterdrückter Wut jagt die Ehefrau die Geliebte von einem Stuhl in den anderen, weil jeder angeblich bequemer ist.

Silvester Berger, Barbara Beutler und Gundi-Anna Schick verstehen ihr Handwerk. Das Timing stimmt und vor allem das Mienenspiel von Barbara Beutler als Ehefrau drückt beredt immer das Gegenteil von dem aus, was sie sagt. Nicht alle Handlungsmöglichkeiten sind auf der Bühne so klar wie im Programmheft, und es ist auch kein »großes Theater«, was hier gemacht wird. Dafür wird eine solide gemachte Komödie mit viel schwarzem Humor geboten. Gerade in der bitterbösen Überzeichnung liegen die Aha-Erlebnisse über eine Situation, die wohl jeder kennt: das Dreieck.

Zum Ende hin steigert sich die Satire zum grotesken Krimi; die Unfälle häufen sich, von den selbstgesammelten Pilzen der Geliebten ist das Schlimmste zu befürchten.

Von der ironisch eingesetzten Musik bis hin zu der uniformartigen Parodie auf Chanel-Kostüme von Gabriele Sailer, die auch die haarsträubende Mumie gebastelt hat, stimmt einfach alles in dieser kleinen Produktion. Selbst die Aufführungsdauer bildet einen wohltuenden Kontrast zu so mancher Mammut-Off-Produktion: Nach anderthalb Stunden endet das Ganze genau dann, wenn es enden sollte.

Was will mensch mehr. Pia Rehberg

»Und/Oder« noch bis 17. Juni freitags bis montags um 21.00 in der Rost Bühne

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