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Alice Donut und Flag Of Democracy

■ Allercharmanteste, langhaarige Intelligenzbrocken

Vielleicht zu wenig langhaarig: Flag of Democracy

Eine liebreizende Zusammenstellung junger Männer, wie meine Freundin sie mag, geben sich wiederholt die Ehre: eine Gitarre, noch 'ne Gitarre, ein Bass, eine Trommel und einer, der dazu schreit (und schwitzt). Lange Haare sollten sie haben (zumindest ein paar von ihnen), ab und zu mal was von sich geben, was man mitsingen oder wenigstens verstehen kann, sozusagen Inhalte — welcher Art auch immer — vermitteln (wegen der Intelligenz, nichtssagende Männer sind, auch bei perfektem Schrei und Langhaar, irgendwann mal langweilig). Laut sollen sie sein, so laut, daß man sein eigenes Wort noch Stunden später nur innerhalb der eigenen verwüsteten Gehirnwindungen versteht, so laut, daß man ein bißchen mehr schwankt als geht und nicht mehr von dieser Welt ist. Charmant sollen sie sein und witzig und hübsch und partytauglich und wenn es irgendwie geht amerikanisch.

Alice Donut bieten alles, sie sind charmant und witzig und haben lange Haare (zumindest ein paar von ihnen) und gerade stehen kann man nach ihren Auftritten ganz bestimmt nicht mehr, außerdem kann man sie verstehen (wer will). Die Inhalte, die Alice Donut auf ihrer bei Alternative Tentacles veröffentlichten dritten LP »Mule« verhackstücken, spiegeln den ganz normalen Wahnsinn eines ganz normalen Lebens in einer ganz normalen Groß- oder Kleinstadt wider, sie graben und wühlen im Dreck, im Seelenfrieden kleiner Leute, im Schlachthaus, im Holocaust, rühren in ihren bei aller Gewalttätigkeit differenzierten Lärm aus Hardcore und Gitarrenrock, aus Punk und Trash und Walzer und Jazz, spritzerweise Bläser und Schlaginstrumente hinein, geben gemeine Töne von sich und passen, ohne dabei sperrig zu klingen, in absolut keine noch so umfassende Schublade moderner Attacken musikalischer Abarten.

Im Oktober konnte man sich anläßlich ihrer ersten Deutschland-Tournee (die meine Freundin natürlich verpaßt hat) von den überragenden Live-Qualitäten der fünf New Yorker überzeugen; als Abräumer des Abends servierten sie dem völlig be- und entgeisterten Publikum im K.O.B. eine Coverversion von »My Boyfriend's Back«, bei der sogar den Shangri-La's die Schadenfreude hätte vergehen können. Nachdem sie letztes Jahr unter anderem als Vorgruppe von Fugazi oder All unterwegs waren, spielen sie heute abend mit den Hardcorelern Flag of Democracy aus Philadelphia auf. Kein wie auch immer geartetes Rendezvous mit dem allercharmantesten langhaarigen Intelligenzbrocken der Stadt sollte von diesem Konzert des Abends abhalten! Erika

Um 22 Uhr im Ex

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